Unbekannt verzogen: Roman
Vorstellung, wie Albert ihm seinen großen Abend verderben könnte. »Gut, dann ist das also abgemacht.«
Am Samstag startet Albert seine Suchaktion. Allzu viele Anhaltspunkte hat er nicht, nur, dass Connie einmal erwähnt hat, dass sie in einer Reihenhaussiedlung wohnt. Sie scheint nicht besonders begeistert davon zu sein, doch für Albert klingt es ziemlich edel. So albern eine Fahnenstange im Vorgarten auch sein mag, allein schon, dass die Leute Platz dafür haben, beweist, dass sie gutsituiert sind. Und da die Dinger nachts nicht geklaut werden, muss es eine zivilisiertere Wohngegend sein als seine eigene.
In Croydon angekommen, braucht er eine Weile, bis er ein Maklerbüro gefunden hat, das ihm für seine Zwecke optimal geeignet zu sein scheint: Die einzige Angestellte, nicht mehr ganz jung und mit einer leicht verzweifelten Miene, sieht so aus, als ob sie sich über jede Abwechslung freuen würde, sogar über einen fragwürdigen Kunden wie Albert.
Beim Eintreten schlägt er seinen jovialsten Tonfall an. »Hallo, ich, äh, ich möchte ein Haus kaufen.«
Die Frau, die wohl, als er durch die Tür kam, geglaubt hat, nur einem verwirrten Rentner den Weg erklären zu müssen, sieht ihn verdutzt an.
»Haben Sie auch ein Objekt zu verkaufen?«
»Nein, nein, ich will nur eins erwerben. Da können Sie mir doch sicher weiterhelfen, nicht wahr?«
»Dann haben Sie also bereits verkauft?« Sie mustert seine Uniformjacke. »Wollen Sie bar zahlen?«
»N-nein … Ich dachte eher an eine Bankfinanzierung.« Mit einem Lächeln tippt er auf das Post-Logo an seiner Jacke. »Wie Sie sehen, habe ich ein festes Einkommen.«
Und endlich lächelt sie freundlich zurück. Entweder tut er ihr leid, oder sie ist einfach nur froh, etwas zu tun zu haben. »Hätten Sie eine bestimmte Gegend im Sinn?«
»Ich dachte an eine nette Siedlung, etwas Ruhiges, Familienfreundliches.«
Sie heißt Marjorie und ist nicht gerne Maklerin.
»Ich dachte, ich würde jede Woche ein paar Häuser an den Mann bringen«, seufzt sie. »Ich dachte, es wäre schnell verdientes Geld.«
Schnell verdientes Geld. Albert hat diesen Ausdruck noch nie in den Mund genommen. Er klingt so leichtsinnig, verschwenderisch, ähnlich halbseiden wie Sofortkredit. Dabei macht Marjorie einen ganz anderen Eindruck auf ihn. Sie hat nichts von dem angeberischen Auftreten, das Albert mit solchen Leuten in Verbindung bringt. Sie wirkt einfach nur müde und verbraucht, wie ein alter, abgenutzter Teppich, der vor zwanzig Jahren vielleicht mal ganz nett aussah, bevor alle in Golf- und Fußballschuhen darübergetrampelt sind.
»Ehrlich gesagt, tut es mir ganz gut, hier mal rauszukommen.« Sie sperrt das Büro ab und steckt sich eine Zigarette an. »Es wäre leichter, wenn ich bei der Arbeit rauchen könnte. Aber natürlich ist das gesetzlich verboten.« Sie pafft wütend vor sich hin. »Ich bin schließlich nicht die einzige Maklerin in der Stadt. Wenn die Leute was gegen Nikotin haben, können sie ja woanders hingehen. Das wäre mein Ding gewesen, wissen Sie? Ich hätte die Frau sein können, die Rauchern bei der Immobiliensuche hilft. Man braucht weiß Gott irgendeinen Aufhänger, um sich auf diesem Markt von der Konkurrenz abzuheben. Es ist wie bei den Piranhas, alle reißen sich um den einen Blutegel.«
»Die Geschäfte laufen also nicht so gut?«
Marjorie schnaubt und nimmt noch einen tiefen Lungenzug, als wäre sie fest entschlossen, sich in ein frühes Grab zu qualmen.
»Natürlich hätte ich mir auch keinen ungünstigeren Zeitpunkt aussuchen können, um mich als Maklerin selbstständig zu machen – mitten in der Immobilienkrise. Die Klugscheißer im Fernsehen sagen immer, in der Rezession muss man kaufen, aber was denn kaufen? Wer verkauft denn, wenn die Preise im Keller sind?«
Sie geht mit Albert auf einen kleinen Parkplatz, wo ein alter Astra und ein Range Rover nebeneinanderstehen.
»Raten Sie mal, welcher meiner ist.«
»Hoffentlich der da.« Albert zeigt auf den Astra. »In den anderen würde ich ohne Trittleiter kaum reinkommen.«
»Aber aus meinem kommen Sie ohne Flaschenzug vielleicht nie wieder raus.« Schnell fängt sie an, Klamotten und leere Bierdosen vom Beifahrersitz zu raffen. »Auch wenn es so aussieht: Ich wohne nicht in meinem Auto. Noch nicht, jedenfalls.«
Obwohl Albert nie ein Auto besessen hat, klingt es selbst für sein ungeschultes Ohr so, als würde Marjories Astra bald nur noch als Schlafplatz taugen. Der Motor erinnert ihn an das Jaulen
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