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Unberuehrbar

Unberuehrbar

Titel: Unberuehrbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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spritzte. Dann ließ er die Trommel aufschnellen und lud die fehlenden Patronen nach, während er beobachtete, wie Chase’ Wunden sich langsam schlossen.
    Ächzend kam der Vampir zu sich. Red konnte seinem Gesicht ansehen, dass er höllische Schmerzen hatte. Doch auf seinen Lippen lag noch immer dieses zufriedene Grinsen, als er hustend ein paar Patronensplitter hochwürgte und sie ausspuckte.
    »Meine Fresse.« Er presste die Hand auf die Brust und rappelte sich auf. »Das wollte ich schon immer mal machen.«
    Red stieß ein freudloses Lachen aus und richtete seine Waffe erneut auf Chase. »Ich tue dir den Gefallen jederzeit gerne wieder. Du warst schon immer ein mieses Aas, aber diese Psychonummer ist neu, oder?«
    Chase hob die Schultern. »Ich teste nur aus, was ich mit meiner Gabe tun kann. In einem Jammerlappen wie dir Wut zu erzeugenscheint ziemlich einfach zu sein. Jetzt reg dich ab und komm.« Er drehte sich um, ging zum Ausgang des Bahnsteigs und stieß die morsche Tür auf. Mit grässlichem Kreischen schwang sie nach außen und gab den Blick auf einen grasbewachsenen Hang frei, der bald in einen dichten Wald aus knorrigen Eichen und feuchtgrünen Fichten überging. In der Ferne leuchteten die Kuppen eines schroffen Gebirges in der Morgensonne. Chase sah über die Schulter zu Red.
    »Naturschutzgebiet«, erklärte er und grinste schief. »Das beste Trainingsgelände, das du dir vorstellen kannst.«
    Red steckte den Revolver in seinen Hosenbund und trat zu Chase hinüber. Schweigend standen sie nebeneinander und betrachteten die Landschaft, die sich einsam vor ihnen ausbreitete, nur gefleckt von wenigen zerrütteten Ruinen, in denen seit Jahrzehnten niemand mehr wohnen konnte. Es war so rau, so wild, so fremd – und vor allem so unendlich weit, dass Red einen seltsamen Druck auf der Brust spürte. Noch nie hatte er so ungehindert in alle Richtungen sehen können, noch nie war seine Umwelt so unglaublich unbegrenzt gewesen. Es weckte in ihm den Drang, laut zu schreien. Aber er atmete nur tief den kalten Wind ein, der mit seinen Haaren spielte, und spürte, wie die Wildnis ihn ausfüllte, sich prickelnd bis in seine Fingerspitzen zog. Das also, dachte er, war Schottland.
    »Wir werden nicht ewig hierbleiben«, sagte Chase neben ihm plötzlich. »Wir werden zurückgehen, das verspreche ich dir. Und wir werden finden, was wir suchen. Aber dazu musst du stark bleiben. Klar?«
    Red wandte überrascht den Kopf. Aber Chase sah ihn nicht an. Sein Kiefer war angespannt, seine Augen waren schmal, und er starrte mit regloser Miene auf die Wiesen, den Wald und die Berge in der Ferne. Der Wind war stärker geworden und zerrte an seinem Hemd, das von Reds Schüssen zerrissenund blutbefleckt war. Zusammen mit den dunklen Spritzern auf seinem Gesicht verlieh es ihm eine irgendwie martialische Aura. Der beißende Spott war verschwunden. Es war lange her, dachte Red, dass er Chase zuletzt so ernst und offen gesehen hatte. Und ihm fiel ein, dass er in all den Monaten, die sie nun schon gemeinsam jagten, immer noch nicht herausgefunden hatte, was seinen Partner eigentlich antrieb, zu sein, wie er war.
    »Du kennst deinen Weg, Farmer«, sagte Chase. »Also geh ihn auch.«
    »Klar«, murmelte Red, noch immer ein bisschen verblüfft. »Geh du vor.«
    Ein winziges Grinsen erschien in Chase’ Mundwinkeln. »Als ob du mich jemals einholen könntest.«
    In diesem Moment hätte Red fast gelacht. In seiner Brust begann ein Funke zu glühen, den er vergessen und verschüttet geglaubt hatte. Eine Kraft, die jetzt nach draußen drängte, weil Chase sie auf seine unnachahmlich rücksichtslose Art ausgegraben hatte. Ja, natürlich, dachte er. Was Chase sagte, war geradezu bestechend logisch. Was immer er auch tat und was immer ihn noch erwartete – er musste lebendig sein, wenn er es überstehen wollte. Und dazu durfte er nicht in Starre verfallen. Red warf einen Blick zurück auf die Kiste, die noch immer am Gleis stand. Die konnten sie später holen, dachte er. Sie hatten jetzt Besseres zu tun.
    Er zog den Revolver aus dem Hosenbund, entsicherte ihn und drückte die Mündung gegen Chase’ Hinterkopf.
    »Moving Target«, flüsterte er und spürte, wie sich ein grimmiges Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. »Move!«
     
    Die nächsten Tage und Nächte auf ihrer Reise verbrachte Red damit, ins Leben zurückzufinden. Tag um Tag jagte er Chase über Steilhänge, schmale Bachläufe entlang, über bröckelndeMauern und verrottende

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