Unberuehrbar
Augenblick, als er es begriff. Das war doch nicht möglich! Was zum Teufel passierte hier?
In diesem Moment erklang eine sanfte Stimme körperlos in Cedrics Geist.
Hallo, Cedric. Wie schön, dass du hergefunden hast. Herzlichen Glückwunsch! Du hast gerade meinen Ort des Versprechens betreten.
Cedric erstarrte. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Ort des Versprechens? Ein Ort, den Dorian durch die mentale Verbindung mit einer anderen Person markiert hatte, so dass er auch aus der Ferne beobachten konnte, was dort geschah – das war die Paradedisziplin der psychischen Manipulatoren. Natürlich war ein mächtiger Vampir wie Dorian dazu fähig. Aber hier, in dieser Zelle …?
Ein leichtes, fröhliches Lachen ließ die Fäden des Gedankennetzes erzittern.
Nein, Cedric. Falsch geraten. Nicht die Zelle. Für wie dumm hältst du mich – das hättest du doch sofort gemerkt. Es ist der Mensch! Sein Ich, seine Gefühlswelt. Janet hat mir von diesem kleinen Schatz erzählt – wir haben zufällig den gleichen Heimweg, weißt du? Und ein kleines Plaudertäschchen ist sie. Du solltest besser auf sie aufpassen.
Cedric ballte die Fäuste. Janet … Nein. Das konnte nichtsein! Er hatte aufgepasst wie ein Schießhund, er hätte das bemerken müssen!
Wieder lachte Dorian in seinem Kopf.
Ich wusste sofort, du würdest irgendwann herkommen. Es war ganz leicht. Und jetzt habe ich dich.
Ein goldener Schimmer breitete sich in der Zelle aus, so weich und schön, dass der karge Raum in einem behaglichen Licht zu leuchten schien. Es war der Schein des fremden Fadens, der Cedric aufgefallen war und der nun auf die anderen Gedanken übergriff, die er noch nicht ganz in sich aufgenommen hatte. Cedric wurde innerlich eiskalt. So schnell er konnte, schüttelte er die Fäden ab, ließ sie los und trennte die Verknüpfungen zu seinem Geist.
Zu spät.
Er spürte noch, wie eine haarfeine Linie aus Licht in sein Hirn eindrang, es in Sekundenbruchteilen durchbohrte wie ein heißer Draht – so schnell, dass er nicht einmal Schmerz verspürte. Sein Körper bäumte sich auf, das Blut schoss in seinen Kopf, und das Relacin verschloss die Wunde innerhalb eines einzigen Augenblicks.
Aber eine feine Spur blieb in seinem Geist zurück. Ein winziger Riss, den er nicht schließen konnte, zumindest nicht sofort – und durch den unaufhaltsam Informationen heraussickerten.
Das Lachen in seinem Kopf verklang in einem triumphierenden Lächeln.
Wirklich spannend, mein Freund. Nein, ehrlich – das ist hochinteressant.
Ein Bild von Cedrics Wohnung im Schatten der Nacht schwamm vor seinem inneren Auge vorbei – und das einer schmalen Silhouette vor der Fensterfront.
West Street also. Na dann will ich mir doch mal ansehen, was du bei dir zu Hause versteckst.
Kapitel Dreizehn
46 West Street, Kenneth, Missouri
Cedric kam spät an diesem Morgen. Frei stand an der Fensterfront, die Hände an die kühle Scheibe gelegt, und beobachtete den ersten silbrigen Schimmer hinter den Bäumen im Park, der allmählich heller wurde. Es war lange her, dass Cedric erst nach Tagesanbruch aus White Chapel zurückgekehrt war. Für gewöhnlich schaffte er es früher, damit er ihr noch beim Training ihrer Gabe helfen konnte. Heute aber würden sie zumindest nicht mehr für Gedankenleseübungen nach draußen gehen. Frei war erleichtert darüber – doch gleichzeitig fühlte es sich seltsam an, so lange allein in der Wohnung zu sein. Sie hatte sich mit ihren Gladiolen beschäftigt, in Cedrics Büchern gestöbert, versucht, Tee zu kochen und eine ganze Weile auf den Tasten des Flügels herumgeklimpert. Langsam bekam sie ein Gefühl dafür, welche Tasten welche Töne erzeugten, welche gut zusammen klangen und welche nicht. Aber bisher hatte sie noch keine Gelegenheit gefunden, Cedric zu bitten, ihr Unterricht zu erteilen. Vielleicht, dachte Frei, war es allmählich Zeit dafür. Es war nun nicht so, dass sie sich die Nächte zurückwünschte, in denen die körperlichen Schmerzen sie ununterbrochen beschäftigt hielten. Aber ein wenig Ablenkung von der Rastlosigkeit, die sie durch die Wohnung trieb, wenn Cedric in der Station war, wäre wirklich schön gewesen.
Als sie endlich den Fahrstuhl summen hörte, leuchtete der Himmel hinter den Bäumen bereits in blassem Gold. Erleichtert wandte Frei sich um, um Cedric zu begrüßen.
Doch als sie sein Gesicht sah, in dem Moment, in dem er aus dem Fahrstuhl trat, blieben ihr die Worte im Hals stecken.
Seine Haut war
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