Unberuehrbar
hatte – winzig nur, aber genug, um die Zahlenfolge zu kennen, mit der sich der Fahrstuhl über die Notfallkonsole neben dem Schlüsselfeld bedienen ließ. Der haarfeine Riss in Cedrics Geist schmerzte immer noch. Sicher konnte er ihn schließen, aber dazu brauchte er Ruhe und Zeit. Und die würde Dorian ihm ganz bestimmt nicht geben.
Dorian lächelte. Die ersten Strahlen der Morgensonne hatten die Wohnung inzwischen erreicht und leuchteten auf seinem jungenhaften Gesicht und seinen Haaren. Wie immer war Dorian ebenso schön, wie er bösartig war.
»Keinen Schritt weiter«, sagte Cedric.
Dorians Lächeln vertiefte sich ein wenig, aber er blieb, wo er war. Er war wütend. Rote, glühende Wut, die sogar seine Selbstgefälligkeit überstrahlte. Weil er einmal mehr zu spät gekommen war.
»Cedric«, bemerkte er eine Spur zu sanft. »Du hast da ein Loch in deiner Fensterscheibe.«
Cedric atmete tief durch. Durch den Sprung, den Dorian in seine Barrieren geschlagen hatte, drang die Kraft des Rivalen ungefiltert in seinen Kopf und seine Gedanken. Es fühlte sich an, als würde er von innen heraus vertrocknen. Aber er durfte jetzt nicht schwächeln. »Verschwinde«, sagte er, so ruhig er konnte. »Es gibt hier für dich nichts zu holen.«
Dorians Lächeln verblasste. Ein paar winzige Falten erschienen auf seiner Stirn – erstes Zeichen seiner Ungeduld. »Wo ist das Mädchen?«
Cedric hob in gespieltem Erstaunen eine Braue. »Wer?«
Ein zorniger Funke leuchtete in Dorians Augen auf. »Versuch nicht, Zeit zu schinden. Wo hast du sie hingeschickt?«
Cedric verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Flügel. Die kühle Glätte des lackierten Holzes beruhigte seine Nerven ein wenig. »Wenn du aus dem Fenster springst, erwischt du sie vielleicht noch. Aber dazu müsstest du natürlich erst an mir vorbei.«
Er sah Dorian kurz die Augen schließen und langsam einatmen, als müsse er sich konzentrieren. Als er die Lider wieder hob, verwandelte ein harter Glanz das Bernsteinbraun in finstere Spiegel. Spiegel, in denen Cedric das Zimmer und den Flügel sehen konnte, aber nicht sich selbst. In die er hineinfallen würde, wenn er nicht aufpasste.
»Ich hätte dich für klüger gehalten, Cedric. Willst du mich wirklich zwingen, mir die Informationen mit Gewalt zu holen?« Ein Lächeln teilte Dorians Lippen, so leicht und strahlend, dass Cedric schwindelig wurde. Es bohrte sich wie spitze Finger in den Riss, der seine mentalen Barrieren durchzog, und zwang die fransigen Ränder noch etwas weiter auseinander. Furcht kroch durch den Spalt in seinen Geist und versuchte, ihn zu lähmen.
Dorian legte leicht den Kopf schief, sein Gesicht eine Maskereinster Liebenswürdigkeit. Seine Stimme aber war gefährlich leise. »Ich kann dich hier und jetzt fertigmachen. Das weißt du, nicht wahr?«
Cedric fuhr sich mit der Zunge vergeblich über die staubtrockenen Lippen. Sie sprangen auf und bluteten. Er wusste, dass er fürchterlich aussehen musste – kein Gegner für jemanden wie Dorian, nachdem er ihm direkt in die Falle gelaufen war. Trotzdem weigerte sich Cedric, seine aufrechte Haltung aufzugeben, obwohl ihm durchaus danach gewesen wäre, sich einfach auf den Teppich zu legen.
»Von mir erfährst du nichts. Geh nach Hause.«
Natürlich, dachte er und bemühte sich verkrampft, seine Gedanken beisammen zu halten, wäre es ein echtes Problem, wenn Dorian an diesem Punkt tatsächlich einfach gehen würde. Frei brauchte jede Sekunde Vorsprung, die er ihr verschaffen konnte. Aber Cedric vertraute darauf, dass sein erbitterter Rivale so kurz vor dem Ziel und mit so einem Trumpf in der Hand keinen Rückzieher machen würde. Er lächelte schmal und dachte an ihr erstes Gespräch in seinem Büro zurück – daran, wie Dorian ihn verspottet hatte.
»Oder hast du etwa vor, mir mein Wissen aus dem Kopf zu zerren? Ach, ich vergaß: Du bist ein Psychomanipulator. Du hast diese Fähigkeit gar nicht.«
Dorian machte einen Schritt auf ihn zu. Keinen großen oder bedrohlichen Schritt. Es war nur eine winzige, fließende Bewegung nach vorn – und doch spürte Cedric, wie die Kraft der Blutgabe ihn traf wie ein Regen aus tausend Nadeln, die sich tief in seinen Körper bohrten. Ein Keuchen rutschte über seine Lippen, und er rang nach Luft. Der Riss in seinem Kopf klaffte auf, verästelte sich und zog feine Linien bis in die tiefsten Winkel seines Bewusstseins.
»O nein, Cedric, da irrst du dich. Du
wirst
es mir sagen.«Dorians
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