Unbescholten: Thriller (German Edition)
Geschwindigkeit von einem Krankenwagen überholt wurde. Jens folgte ihm instinktiv, bis er ein paar Häuser weiter neben dem blutenden Körper hielt, der einsam auf der Straße lag.
Seit Sophie Alberts SMS bekommen hatte, war sie ratlos durch das Krankenhaus geirrt. Jetzt stand sie in einem leeren Krankenzimmer herum und wartete.
Ein Bild tauchte kurz vor ihrem inneren Auge auf, sie sah Albert im Garten, wie er mit ihrem Hund Rainer spielte. Das Bild verschwand ebenso schnell, wie es gekommen war. Sie wusste nicht, wie sie ausgerechnet jetzt auf den Hund kam. Rainer war ihr blonder Labrador gewesen, Albert hatte ihn geliebt. Sie hatten Rainer gekauft, als Albert zwei geworden war, vielleicht war es ein Ersatz für das ausbleibende Geschwisterkind gewesen. Albert hatte mit Rainer jeden Tag auf der Wiese gespielt, im Sommer wie im Winter. Sophie hatte am Fenster gestanden und ihm zugesehen. Albert war immer hoch konzentriert gewesen.
Als Rainer starb, war Albert zwölf gewesen. Es schien eine Ewigkeit her.
Das Handyklingeln riss Sophie aus ihren Gedanken.
»Ja?«
Sie hörte, was Jens sagte, und lauschte seinen Erklärungen. Dann gaben ihre Beine nach, Verzweiflung und Entsetzen nahmen ihr die Luft. Sie bekam das Fenstersims zu fassen, als könnte es sie vor dem Sturz ins Nichts retten. Dann wurde alles schwarz.
Als sie kurz darauf wieder zu Bewusstsein kam, rannte sie durch den Korridor. Sie nahm die Treppen, lief über die Verbindungsgänge und durch die Eingangshalle bis hinunter in die Notaufnahme. Gleichzeitig mit dem Krankenwagen kam sie dort an und stieß die Rettungssanitäter weg, die gerade die Türen öffneten.
Sie sah Albert mit blutigem Gesicht auf der Trage liegen. Sein Kopf war mit einem breiten Band über der Stirn fixiert, und sein Hals steckte in einem Plastikkragen. Auch seine Kleidung war blutig. Sophie wollte eben in den Krankenwagen klettern, da bekam ein Sanitäter sie zu fassen und zog sie weg von ihrem Sohn.
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Gunilla saß bei heruntergelassenem Fenster in ihrem Peugeot im Hötorgs-Parkhaus und wartete. Sie sah im Rückspiegel, wie Anders’ Honda heranfuhr und hinter ihr hielt. Anders stieg aus, öffnete Gunillas Beifahrertür und ließ sich schwer auf den Sitz neben ihr fallen.
»Es ist total schiefgegangen«, sagte er leise.
»Wird er durchkommen?«
Anders zog die Augenbrauen hoch, er wirkte betroffen. »Ich weiß nicht. Der Aufprall war hart, er ist auf dem Rücken gelandet.«
»Hat euch jemand gesehen?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Gunilla saß vollkommen still. »Und das Auto?«
»Haben wir im Griff, alle Spuren beseitigt.«
Gunilla stützte den Kopf in die Hand. Ihr Schweigen machte Anders nervös.
»Ich habe das Handy des Jungen. Er hat Sophie eine SMS geschickt. Sie weiß, dass wir das waren.«
Gunilla sagte immer noch nichts. So hatte er sie noch nie erlebt.
»Du weißt genau, was wir tun müssen«, sagte er.
Sie schaute auf und verbarg dann ihr Gesicht in den Händen.
»Gunilla?«
Sie antwortete nicht.
»Du weißt, was wir tun müssen!«
»Lasst den Jungen in Ruhe«, sagte sie.
Anders hatte schon die Hand am Türgriff. »Wieso?«, fragte er.
»Weil ich es sage.«
Er überlegte einen Moment. »Sollte er wieder aufwachen, muss er weg, das ist dir doch klar?«
Gunilla starrte noch immer vor sich hin, als Anders aus dem Auto sprang. Sie hörte das Quietschen der Reifen auf dem polierten Beton, als Anders’ Honda das Parkhaus verließ. Dann wurde es still.
Gunilla versuchte zu denken, eine Linie, eine Richtung zu finden, doch das Handyklingeln unterbrach sie. Gunilla nahm das Gespräch an. Es war Lars Vinge, der ihr erklärte, dass Erik soeben gestorben war. Sie hörte, was er sagte. Dann fragte sie: »Welcher Erik?«
Sophie saß an Alberts Bett und hielt seine Hand. Sein Körper war fixiert, stärker noch als im Krankenwagen, mit Riemen, Halskrause und Gurten, und auf seinem Kopf saß eine surreale Metallkrone, die ihn vollkommen still hielt. Beide Beine waren vom Oberschenkel bis zu den Knöcheln eingegipst.
Die Ärztin betrat das Zimmer, sie hieß Elisabeth, Sophie kannte sie flüchtig.
»Albert hat sich am zweiten Lendenwirbel verletzt, der in das Rückenmark hineingedrückt worden ist, und wir wissen noch nicht, was das für Folgen hat.«
Albert sah aus, als schliefe er.
»Sein Schädel ist gebrochen. Weil wir ihn im Moment nicht bewegen wollen, können wir auch dazu noch nichts Genaues sagen. Wir wissen nur,
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