Unbescholten: Thriller (German Edition)
wollte.
Der zweite Tag begann schwieriger. Sie erhielten die Aufgabe, ihre eigene Drogen- und Missbrauchsgeschichte aufzuschreiben. Doch sein anfänglicher Widerstand legte sich, als er sah, wie bereitwillig alle anfingen, die Seiten zu füllen.
Lars schrieb und schrieb, und er begann, eine vollkommen neue Dankbarkeit zu empfinden. Je mehr er schrieb, desto klarer schien sein Selbstbild zu werden. Und er spürte, dass er selbst dieses Bild ändern konnte. Dass sein Leben von nun an anders und besser werden konnte.
Er schlief sehr gut in dieser Nacht und erwachte mit großem Appetit auf das Frühstück.
Am Nachmittag dieses dritten Tages aber wurden seine Entzugserscheinungen fast unerträglich. Mit einem Mal waren seine positiven Gefühle vergessen. Daniel und die anderen Angestellten im Bergsjögården waren plötzlich seine Feinde. Er verglich sich mit ihnen: Das waren doch alles nur Idioten und Mitglieder einer Sekte. Er wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Warum sollte er sich von ihnen etwas sagen lassen?
Lars wollte plötzlich nur noch weg. Er haute noch in derselben Nacht ab, die Sicherheitsvorkehrungen waren ein Witz, was schon bewies, mit welchen Idioten Lars es hier zu tun hatte. Außerdem konnte er jederzeit selbst mit den Medikamenten aufhören. Jetzt wusste er schließlich, wo er hingehen konnte, dieser Ort würde schon nicht verschwinden. Er hatte jedes Recht dazu, selbst über sein Leben zu entscheiden!
In seiner Wohnung dröhnte er sich mit Alkohol und allen Tabletten zu, die er finden konnte. Sein Denken wurde angenehm zähflüssig, und er krabbelte über den Fußboden, um nach Ameisen und anderen Insekten zu suchen, mit denen er sich unterhalten konnte. Dann wurde alles schwarz.
Er erwachte auf dem Küchenfußboden vom Klingeln seines Handys. Zwischen seinen Beinen fühlte es sich kalt und nass an. Er tastete mit der Hand die Jeans ab, er hatte sich in die Hose gepinkelt.
Er streckte die Hand nach seinem Handy aus. Das Morgenlicht schien grell durch das Fenster.
»Hallo, Lars.«
Das war Tommy Janssons Stimme. Lars wischte sich den Speichel aus dem Mundwinkel.
»Hallo«, sagte er heiser.
»Sie haben schon ausgecheckt?«
Lars versuchte, seine Gedanken zu ordnen. »Woher wissen Sie das?«
»Ich habe immer ein Auge auf meine Leute. Wie geht es Ihnen?«
Lars rieb sich mit dem Zeigefinger über die Oberlippe. »Weiß nicht. Ganz okay, glaube ich.«
»Ich komme jetzt kurz bei Ihnen vorbei, ich habe ein paar Fragen an Sie. Bis gleich«, sagte Jansson und legte auf, bevor Lars sich verabschieden konnte.
Eine halbe Stunde später war er da. Lars hatte sich in aller Eile gewaschen und umgezogen. Er freute sich, Jansson zu sehen. Es ging voran. Jansson hatte zwei Baguettes und Orangensaft dabei. Sie setzten sich ins Wohnzimmer, Lars in einen Sessel und Jansson aufs Sofa. Jansson hörte zu, wie Lars ihm von der Klinik erzählte, und sagte, Lars solle es noch einmal versuchen, sein Job würde ihm nicht davonlaufen, und er als sein Chef hätte natürlich die Möglichkeit, für diesen Entzug zu bezahlen.
Jansson fragte nach Lars’ Medikamentenmissbrauch, wollte wissen, welche Tabletten er nahm, wie er an sie herankam.
»Was für eine Scheiße«, sagte er bedauernd, »aber das kriegen wir hin.«
Schließlich stand Jansson auf, um zur Toilette zu gehen.
Lars gähnte und streckte sich. Er war sich jetzt sicher, dass alles wieder ins Lot kommen würde. Er musste sich nur an Jansson halten. Dann traf ihn ein harter Schlag in den Nacken, Lars war völlig unvorbereitet. Jansson griff seine Arme und zog ihn vom Sessel auf den Boden. Lars schlug mit dem Gesicht hart auf dem Parkett auf. Jansson nahm ein Paar Handschellen heraus und ließ sie zuschnappen.
»Was machen Sie? Scheiße, Jansson, wir haben eine Vereinbarung.« Lars lag flach auf dem Bauch. »Jansson!«, rief er. Aber er erhielt keine Antwort. Dann wurde die Wohnungstür geöffnet und fiel kurz darauf wieder ins Schloss. War Jansson gegangen?
Lars lag mit den Händen auf dem Rücken da und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Er legte die Wange auf den kühlen, glatten Holzboden.
Aus der Küche drangen Geräusche ins Wohnzimmer. Es klang wie ein Flüstern.
»Bitte, Jansson! Lassen Sie uns reden!« Lars’ Stimme wurde schwächer. Es vergingen ein paar Minuten, dann glaubte er im Flur die Umrisse eines Menschen zu erkennen. Aber es war nicht Jansson, es war die Silhouette einer Frau. Lars blinzelte, dann erkannte er, wer es
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