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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
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wurde, gab Louie auf. Er blickte zurück zu Phil und Mac; alle drei wussten, dass dort ihre letzte Chance davontrieb. Dann sah er, dass ein langes Seil an dem Boot befestigt war, dessen Ende keinen halben Meter neben seinem Kopf schwamm. Er packte das Seil, zog das Boot zu sich heran und stieg hinein. Noch ein zweites Boot schwamm vorbei. Louie zog die Ruder seines Boots heraus, ruderte mit aller Kraft und schaffte es, das Seil des zweiten Bootes aufzunehmen und es ebenfalls beizuziehen. Er fädelte die Seile durch Halterungen an den Booten und band sie zusammen.
    |150| Dann ruderte er zu Phil und Mac. Phil stieß das scharfkantige Metallstück, an das er sich geklammert hatte, weg; es war ihm klar, dass es die Außenhaut der Boote beschädigen konnte. Louie zog Phil ins Boot, Mac kletterte mit eigener Kraft hinterher. Beide waren ebenso wie Louie mit einer Schicht aus Benzin und Öl überzogen. Bei einer Länge von nur 2 Metern und kaum mehr als einem halben Meter Breite war das Rettungsboot mit den drei Männern mehr als voll besetzt.
    Phil hatte an der linken Seite des Kopfes am Haaransatz zwei Platzwunden. Das Blut sprudelte aus den Wunden, es spritzte auf den Boden des Boots und vermischte sich dort mit Meerwasser. Louie erinnerte sich an das, was er bei den Pfandfindern und beim Erste-Hilfe-Kurs in Honolulu gelernt hatte, also tastete er an Phils Hals entlang, bis er das Pulsieren der Halsschlagader spürte. Er zeigte Mac den Punkt und befahl ihm, dort fest zuzudrücken. Er zog Oberhemd und T-Shirt aus, auch Phil zog er seine Hemden aus und forderte Mac auf, dasselbe zu tun. Die Oberhemden legte Louie zur Seite, Phils T-Shirt tauchte er ins Wasser, faltete es zu einer Kompresse zusammen und drückte es auf die Wunden. Die anderen T-Shirts band er eng um Phils Kopf und bettete Phil dann ins zweite Boot um.
    Phil fühlte sich benebelt. Er wusste, dass er abgestürzt war, dass irgendjemand ihn aus dem Wasser gezogen hatte, dass er in einem Boot lag und dass Louie bei ihm war. Er verspürte Angst, aber keine Panik. Als Pilot hatte er offiziell das Kommando, aber er wusste, dass er nicht in der Verfassung war, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Er sah, dass Louie einen üblen Schnitt im Finger hatte, gleich neben seinem USC-Ring, ansonsten jedoch unverletzt und bei klarem Verstand war. Phil bat Louie, das Kommando zu übernehmen, und Louie erklärte sich einverstanden.
    »Ich bin froh, dass du es warst, Zamp«, sagte Phil leise. 2 Dann verstummte er.
    Von irgendwo in der Nähe kam ein leises Geräusch, ein Stöhnen, das in ein Gurgeln überging, ein Mund, der versuchte, etwas zu sagen, eine Kehle, die sich mit Wasser füllte – dann Schweigen. Louie schnappte sich ein Ruder und zog Kreise, so schnell er konnte, hielt Ausschau nach dem ertrinkenden Mann. Vielleicht war es Cuppernell, den er nicht mehr gesehen hatte, seit er noch tief unter Wasser war. Sie sollten es nie erfahren. Der Mann, der das Geräusch gemacht hatte, war untergegangen. Und tauchte nicht wieder auf.
     
    Da Phil nun relativ gut versorgt war, wandte Louie sich der Inspektion der Boote zu. Sie waren aus zwei Lagen gummiertem Segeltuch (Canvas) hergestellt, durch eine Querwand in zwei Luftkammern aufgeteilt, und beide |151| Boote waren in gutem Zustand. Heikel war die Frage der Ausrüstung. Die Proviantkiste, die Mac im Arm gehalten hatte, als das Flugzeug abstürzte, war nicht mehr da – entweder war sie ihm beim Aufprall aus den Händen gerissen worden, oder er hatte sie beim Verlassen des Wracks verloren. In ihren Taschen hatten die Männer nur ihre Geldbörsen und ein paar Münzen. Ihre Armbanduhren hatten sie noch an, die Zeiger waren allerdings stehengeblieben, als das Flugzeug auf dem Wasser aufschlug. Cecys Glücksbringer-Armband war nicht an Phils Arm – wahrscheinlich zum ersten Mal, seit Phil in Oahu angekommen war. Auch der Silberdollar, den er für das Wiedersehen mit Cecy immer bei sich hatte, war nicht in seiner Tasche. 3 Vielleicht hatte er die Dinge vergessen, als er sich so überstürzt für den Rettungsflug fertigmachen musste, vielleicht hatte er sie auch beim Absturz verloren.
    An den Seitenwänden der Boote befanden sich Taschen, die in gewissem Umfang eine zum Überleben notwendige Ausrüstung enthielten – mehr als das, was sich hier fand, hatten sie nicht. 4 Louie knotete die Taschenklappen auf und schaute hinein. Er fand darin mehrere dicke Schokoladenriegel – wahrscheinlich die Militärversion der

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