Unbeugsam
Rettungsboote, unbesetzt. Cuppernell war nirgends zu sehen.
Weit unten steckte Louie, heillos in die Kabel verstrickt, immer noch im Innern des Flugzeugs fest. Bei einem Blick nach oben sah er einen reglos treibenden Körper. Das Flugzeug sank und sank in die Tiefe, und die Welt darüber entschwand immer weiter. Louie spürte, wie es in seinen Ohren knackte, und musste daran denken, dass im Swimming Pool von Redondo Beach seine Ohren immer in einer Tiefe von 6 Metern geknackt hatten. Dunkelheit schloss sich um ihn herum, und der Wasserdruck wurde immer heftiger. Er kämpfte, ohne damit etwas auszurichten. Und dachte:
Hoffnungslos
.
Er spürte einen plötzlichen stechenden Schmerz in der Stirn. Dann Benommenheit; die Sinne begannen ihm zu schwinden, während er an den Kabeln zerrte und immer wieder seinen Hals mit beiden Händen umklammerte, um seinen Drang zu unterdrücken, nach Luft zu schnappen. In ihm breitete sich die banale Gewissheit aus, dass dies jetzt das Ende war. Er verlor das Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, war es um ihn herum stockfinster.
Das ist der Tod,
dachte er. Dann fühlte er, dass nach wie vor Wasser auf ihm lastete und dass das schwere Flugzeug um ihn herum weiter nach unten sank. Unerklärlicherweise waren die Drähte verschwunden, ebenso das Rettungsboot. Er trieb im Innern des Rumpfes, der ihn mit sich hinunter auf den Meeresgrund nahm, in gut 500 Meter Tiefe. Sehen konnte er nichts. Seine Rettungsweste war nicht aufgeblasen, trotzdem wurde er von ihrem Auftrieb zur Decke des Flugzeugs getragen. Er hatte keine Luft mehr in den Lungen, und als er reflexartig schluckte, geriet Salzwasser in seinen Magen. Er schmeckte Blut, Benzin, Öl. Ertrank.
Louie streckte seine Arme aus, suchte nach einer Öffnung aus dem Flugzeug hinaus. Mit seiner rechten Hand stieß er an etwas an und blieb mit seinem USC-Ring hängen. Seine Hand war gefangen. Er langte mit der Linken danach und spürte eine lange, glatte Metallleiste. Das Gefühl kannte er: Er befand sich am offenen rechten Rumpffenster. Er schwamm zum Fenster, stellte seine Füße in den Rahmen und stieß sich ab; dadurch bekam er seine rechte Hand frei, schnitt sich allerdings in den Finger. Sein Rücken schlug gegen die Oberseite des Fensterrahmens, und die Haut unter seinem Hemd schürfte auf. Er stieß sich vollends frei. Das Flugzeug sank unter ihm weg.
|146| Louie tastete nach den Leinen an seiner Rettungsweste und hoffte, dass keiner die CO 2 -Patronen herausgenommen hatte. Er hatte Glück: Die Kammern bliesen sich auf. Plötzlich war er leicht, und zügig trug ihn die Weste durch einen Strom von Trümmern hindurch nach oben.
Er tauchte aus dem Wasser auf, hinein in strahlendes Tageslicht, schnappte nach Luft, und in einem plötzlichen Brechreiz gab er das Salzwasser und Benzin, das er geschluckt hatte, wieder von sich. Er hatte überlebt.
|147| DRITTER TEIL
|149| 12
Abgestürzt
D er Ozean war übersät mit den Trümmern des abgestürzten Bombers. Der Lebenssaft des Flugzeugs – Öl, Hydraulikflüssigkeit und einige tausend Gallonen Treibstoff – schwappte auf der Meeresoberfläche. Stellenweise kräuselten sich zwischen den Trümmern Schlieren von Blut.
Louie hörte eine Stimme. 1 Er wandte sich um und sah Phil, nur wenige Meter entfernt, der sich an etwas festhielt, das früher wohl ein Treibstofftank gewesen war. Bei ihm war Mac, der Heckschütze. Keiner der beiden trug eine Rettungsweste. Aus Wunden in Phils Kopf trat schwallweise Blut aus und lief ihm in Strömen über das Gesicht. Phil bemerkte den Kopf, der da zwischen den Trümmern erschien, und erkannte trotz seiner benommenen Verwirrung Louie. Sonst war kein weiterer Mann aufgetaucht.
Louie sah eines der Rettungsboote auf dem Wasser schaukeln. Vielleicht hatte sich das Boot, als das Flugzeug zu Bruch ging, von allein gelöst, viel wahrscheinlicher war jedoch, dass der Ingenieur unmittelbar vor dem Aufprall als letzte Tat seines Lebens den Entriegelungshebel umgelegt hatte. Das Boot hatte sich automatisch aufgeblasen und driftete bereits schnell davon.
Louie war klar, dass Phils stark blutende Wunde sofort versorgt werden musste, aber wenn er sich jetzt darum kümmerte, dann wäre das Boot verloren, und das würde ihren sicheren Tod bedeuten. Er schwamm also hinter dem Boot her. Kleidung und Schuhe zogen ihn herunter, und Strömung und Wind trugen das Boot schneller davon, als er schwimmen konnte. Als die Entfernung zwischen ihm und dem Boot nur immer größer
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