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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
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Suchflugzeug flog die Maschine zu hoch, wahrscheinlich war sie unterwegs nach Palmyra. 5
    Blitzschnell drehte sich Louie nach der Bootstasche um, zog die Leuchtpistole heraus und lud sie mit einer Signalpatrone. Er konnte auf dem nachgiebigen Boden des Bootes nicht stehen, kniete sich daher hin und hob die Pistole senkrecht nach oben. Er zog den Auslöser, spürte den Rückschlag, und eine flammend rote Leuchtspur schoss nach oben. Dann holte Louie eine Packung Farbpulver aus der Tasche und verstreute es hastig im Wasser, und ein lebhaft grün-gelber Kreis breitete sich um das Boot herum auf dem Wasser aus.
    Während die Leuchtspur über ihnen ihre Bahn zog, blickten Louie, Phil und Mac nach dem Bomber und zogen in Gedanken die Blicke der Männer an Bord inständig auf sich. Langsam verlosch das Signal. Der Bomber flog weiter, dann war er verschwunden. Der Farbkreis um die Boote herum löste sich auf.
    Immerhin versorgte der Zwischenfall die Schiffbrüchigen mit einer wichtigen Information. Sie wussten zwar, dass sie abgetrieben wurden, aber ohne Orientierungspunkte wussten sie nicht, in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit sie dahintrieben. Die Flugzeuge auf der Nord-Süd-Passage von Hawaii folgten einer Flugroute, die nahe der Stelle verlief, wo
Green Hornet
abgestürzt war; das Auftauchen einer B-25 weit im Osten wies also mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass sie westwärts trieben, hinaus aus dem Blickhorizont amerikanischer Flugzeuge. Ihre Aussichten auf Rettung begannen bereits zu schwinden.
    An diesem Abend kehrten die Suchflugzeuge zu ihren Stützpunkten zurück. Keiner hatte irgendetwas gefunden. Gleich bei Tagesanbruch am nächsten Tag würden sie die Suche wieder aufnehmen.
    Über den Booten verschwand das Tageslicht. Die Männer nahmen kleine Schlucke Wasser zu sich, schöpften Meerwasser um sich herum und legten sich hin. Wieder kamen die Haie zu den Booten und rieben ihre Rücken an der Unterseite der Boote.
     
    Phil schlief fast den ganzen nächsten Tag. Louie nippte an seinem Süßwasser und dachte ans Essen. Mac blieb distanziert, sprach kaum etwas. Ein weiterer Tag verging, ohne dass Rettung in Sicht kam.
    |158| Irgendwann früh am nächsten Morgen, dem 30. Mai, hörten Louie, Mac und Phil dann ein heimatlich-vertrautes Geräusch: das markante tiefe Grollen von B-24-Motoren. 6 Und da war es auch schon, tief unten, direkt über ihnen, ein stumpfnasiges Ungetüm von Flugzeug, das in Richtung Südosten unterwegs war; es pflügte durch die Wolken, verschwand und tauchte wieder auf. Es war ein Suchflugzeug. Es bewegte sich in so großer Nähe der Boote, dass Louie meinte, die Zeichen ihres Geschwaders – des 42. – am Heck erkennen zu können.
    Louie schnappte nach der Leuchtpistole, lud sie und feuerte. Die Leuchtspur schoss direkt auf den Bomber zu; einen Moment lang dachten die Männer, sie würde das Flugzeug treffen. Doch sie flog daran vorbei und explodierte in eine knallrote Lichtfontäne, die vom Boot aus riesig wirkte. Louie lud nach und feuerte noch einmal. Das Flugzeug flog eine scharfe Rechtskurve. Noch zweimal feuerte Louie, jetzt hinter dem Heck.
    Das Flugzeug war die
Daisy Mae.
Die Männer der Besatzung suchten gewissenhaft die Meeresoberfläche ab, ein Fernglas wurde zwischen ihnen hin- und hergereicht. Die Suche an diesem Tag gestaltete sich schwierig, dichte Wolkenbänke rissen nur momentweise auf und schlossen sich dann wieder, so dass die Männer immer nur kurz auf das Meer hinunterschauen konnten. Gerade bei dieser Suche gaben sich alle besondere Mühe, schließlich waren die Vermissten, um die es ging, ihre Kameraden und Freunde. »Wenn wir je bei einem Einsatz intensiv nach Vermissten gesucht haben«, erinnert sich Scearce, »dann ganz bestimmt an diesem Tag.« 7
    Die Leuchtspuren verglommen, und Daisy Mae flog weiter. Keiner der Männer an Bord hatte irgendetwas gesehen. Die Kurve des Flugzeugs war lediglich eine Routinewendung gewesen. Louie, Phil und Mac schauten zu, wie das Zwillingsheck der
Daisy Mae
in der Ferne immer kleiner wurde und dann verschwand.
    Einen Augenblick lang war Louie wütend auf die Männer in der entschwundenen B-24, die so nah an ihnen vorbeigeflogen waren und sie trotzdem nicht wahrgenommen hatten. Aber sein Zorn verflog rasch. Er war ja selbst auf Sucheinsätzen unterwegs gewesen, und er wusste, wie schwer es war, vor allem bei bewölktem Himmel, ein Rettungsboot auszumachen. Er musste wohl davon ausgehen, dass er selbst auch schon

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