Unbeugsam
Vielleicht hatte es ihm geholfen, dass Louie in dieser Situation seine Souveränität demonstrierte und Mac dadurch vor den entsetzlichen Möglichkeiten beschützte, die seine Einbildungskraft ihm eingab.
Grund genug, die Hoffnung aufzugeben, hatte Mac zweifellos. Das Trinkwasser war aufgebraucht. Nachdem die B-24 vorbeigeflogen war, waren keine weiteren Flugzeuge mehr aufgetaucht, und die Strömung trug sie immer weiter weg von den Routen, auf denen die amerikanischen Flugzeuge verkehrten. Wenn die Suche für sie nicht jetzt schon für beendet erklärt worden war, dann – das war den Dreien klar – würde das sehr bald geschehen.
In dieser Nacht betete Louie, bevor er versuchte einzuschlafen. 11 Erst ein einziges Mal in seinem ganzen Leben hatte er gebetet, in seiner Kindheit, als seine Mutter krank war und er rasende Angst hatte, er könnte sie verlieren. In dieser Nacht auf dem Rettungsboot flehte er mit frei formulierten, nicht laut ausgesprochenen Worten Gott um Hilfe an.
|161| Während die Verlorenen immer weiter aus der Reichweite der Suchmannschaften hinaustrieben, trafen ihre letzten Briefe bei ihren Familien und Freunden ein, die noch nicht wussten, dass sie vermisst waren. 12 Offenbar wartete die Militärpolizei die ersten Suchaktionen ab, bevor sie die Angehörigen informierte.
Am Tag nach dem Absturz kam Phils letzter Brief an seinen Vater in Virginia an. Reverend Phillips – der seinen Sohn mit seinem zweiten Vornamen Allen ansprach – war in die Armee eingetreten und arbeitete jetzt als Kaplan im Camp Pickett. Die letzten Nachrichten von Allen hatten ihn Wochen zuvor erreicht, in Zeitungsberichten über die Heldentaten von
Super Man
über Nauru. Kaplan Phillips hatte Zeitungsberichte über den Angriff ausgeschnitten und in die Redaktion der Lokalzeitung gebracht, die dann eine Geschichte über Allens Heldentaten veröffentlichte. Doch bei allem Stolz war Kaplan Phillips auch sehr besorgt. »Ich hoffe wirklich, dass er nicht noch einmal in eine derartige Extremsituation gerät«, schrieb er an seine Tochter. 13
Wahrscheinlich war es diese Sorge, die Kaplan Phillips bewog, Allen in einem Brief nach dem Schicksal der Männer in dem Rettungsboot zu fragen, die Phils Crew im Frühling, umgeben von Haien, gefunden hatte. Im letzten Brief an seinen Vater versicherte Allen, die Männer seien alle gerettet worden. Was ihn selbst betraf, so Allen, »hat sich an meiner Situation nichts verändert … Ich schreibe bald wieder. So viel für heute. – Al.«
Am Wochenende nach dem Absturz machten Pete, Virginia und Louise Zamperini einen spontanen Besuch bei Cuppernells Eltern, die in Long Beach wohnten. Es war ein fröhliches Zusammensein, und sie sprachen viel von ihren Söhnen. Nach dem Besuch schrieb Pete an Louie und bat ihn, Cuppernell auszurichten, seinen Eltern gehe es ausgezeichnet. In den Umschlag legte er außerdem ein Foto von sich selbst, das ihn mit einem Lächeln zeigte. Auf die Rückseite hatte er ein paar Worte gekritzelt: »Lass nicht zu, dass sie dir die Flügel stutzen.«
In Saranap in Kalifornien öffnete Payton Jordan den Brief, den Louie aus dem Fenster von
Green Hornet
geworfen hatte, bevor das Flugzeug zu seinem letzten Start ansetzte. »Lieber Payton, liebe Marge«, hieß es in dem Brief, »ich bin immer noch am Leben und schlag mich ganz gut durch, keine Ahnung, warum.«
Der kleine Angeber soll lieber auf sich Acht geben,
dachte Jordan.
Phils letzter Brief an Cecy erreichte sie in Princeton, Indiana, wo gerade ihr erstes Jahr als Highschool-Lehrerin zu Ende ging. In seinem Brief hatte Phil vom Mond über Hawaii geschrieben, und wie ihn der Mond an |162| das letzte Mal erinnerte, als er mit Cecy zusammen war. »Ich werde diese Augenblicke damals nie vergessen. Es gibt viele Dinge, die ich mit dir, mein Liebling, erlebt habe und die ich nie vergessen werde – ich warte auf den Tag, an dem wir wieder wie früher zusammen sind und alles gemeinsam erleben.« Die letzten Worte dieses Briefes waren dieselben wie in vielen anderen Briefen zuvor: »Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich.«
Weitere Nachrichten sollten von den Vermissten nicht kommen. Petes Brief an Louie schaffte es bis zum Postamt von San Francisco, wo die Post der 11. Bombergruppe sortiert wurde. Irgendjemand schrieb
Auf See vermisst
auf den Umschlag und ließ den Brief an den Absender zurückgehen.
Eine Woche war seit dem Verschwinden von
Green Hornet
vergangen. Intensive Suchaktionen waren ohne
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