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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
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sie selbst waren ungefähr 3200 Kilometer östlich der Marshall- und Gilbert-Inseln abgestürzt, dann hatten sie bereits mehr als die Hälfte der Distanz zu diesen Inseln zurückgelegt, und zwar mit einer Geschwindigkeit von über 60 Kilometern pro Tag. Phil dachte über diese Zahlen nach und war überrascht. Sie hatten keine Ahnung gehabt, dass sie schon so weit westwärts getrieben waren.
    Sie hatten mit diesen Zahlen eine Grundlage, auf der sich Vermutungen anstellen ließen, wann sie bei den Inseln ankommen würden. Phil berechnete den 46. Tag, Louie den 47. Sollten ihre Zahlen stimmen, dann mussten sie ungefähr doppelt so lang durchhalten wie Rickenbacker. Und es bedeutete darüber hinaus, dass sie noch fast drei weitere Wochen auf dem Boot überleben mussten.
    Furchterregend war die Vorstellung, was sie auf diesen Inseln wohl erwarten mochte. Der aggressive japanische Bomber hatte bestätigt, was sie über die Japaner gehört hatten. Aber es war gut, eine gewisse Orientierung zu haben, zu wissen, dass sie auf Land zutrieben, das irgendwo dort hinter der Erdkrümmung lag. Der Bomber hatte ihnen etwas geliefert, worauf sie ihre Hoffnung gründen konnten.
    Mac beteiligte sich an den Prognosen nicht. Er rutschte innerlich immer weiter weg.

|188| 16
Gesang in den Wolken
    L ouie saß wach im Boot und schaute ins Wasser. Phil schlief. Mac befand sich in einem Zustand fast vollständiger Starre, jenseits von Wachen und Schlafen.
    Zwei Haie, beide ungefähr zweieinhalb Meter lang, zogen ruhig ihre Runden um das Boot. Jedes Mal, wenn einer an ihm vorbeiglitt, musterte Louie aufmerksam die Haut. Er hatte Haien viele Male auf die Nase geschlagen, aber nie gespürt, wie sich die Haut eigentlich anfühlte; es hieß, es sei ein ähnliches Gefühl wie bei Sandpapier. Neugierig senkte er eine Hand ins Wasser und legte sie behutsam auf die Oberseite eines vorbeischwimmenden Hais, er spürte seinen Rücken und die Rückenflosse, als der Hai unter ihm hinwegglitt. Tatsächlich, es fühlte sich rau an. Der Hai schwamm weiter. Der zweite Hai kam vorbei, und wieder folgte Louie mit der Hand dem vorübergleitenden Körper.
Wunderschön,
dachte er.
    Kurz darauf stellte Louie etwas Seltsames fest. Die beiden Haie waren nicht mehr da. Nicht ein einziges Mal in den vier Wochen waren die Haie je verschwunden. Louie kniete sich hin und lehnte sich aus dem Boot übers Wasser, irritiert starrte er in die Tiefe. Keine Haie.
    So kniete er, über den Rand des Bootes gebeugt, als einer der Haie, die er berührt hatte, mit entsetzlicher Geschwindigkeit aus dem Wasser sprang, sein Maul weit geöffnet, und direkt auf Louies Kopf zielte. 1 Louie schlug beide Hände vors Gesicht. Der Hai prallte frontal mit ihm zusammen und versuchte, mit dem Maul nach Louies Oberkörper zu schnappen. Louie hatte seine Hände auf der Schnauze des Tiers und stemmte sich mit aller Kraft dagegen, und der Hai plumpste zurück ins Wasser. Im nächsten Moment sprang der zweite Hai hoch. Louie schnappte sich ein Ruder und versetzte dem Hai einen Schlag auf die Nase, der zuckte zurück und glitt davon. Dann schnappte wieder der erste Hai nach ihm. Louie wich zurück, und gleichzeitig ging neben ihm ein Ruder auf dem Tier nieder und trieb es zurück ins Meer. Zu Louies Überraschung war es nicht Phil, der ihn gerettet hatte. Es war Mac.
    |189| Louie hatte keine Zeit, ihm zu danken. Wieder schnellte einer der Haie hoch, gefolgt von dem zweiten. Louie und Mac saßen nebeneinander und wehrten die angreifenden Haie mit fliegenden Rudern ab. Mac war wie ausgewechselt. Nur wenige Augenblicke zuvor hätte man meinen können, er läge im Koma. Jetzt sprühte er nur so vor wilder Energie.
    Mehrere Minuten lang wechselten sich die Haie darin ab, mit geöffnetem Maul die Besatzung des Boots anzuspringen, jedes Mal schnellten sie vom selben Punkt hoch. Endlich gaben sie auf. Louie und Mac ließen sich erschöpft zurücksinken. Phil, der mittlerweile wach und zu Tode erschrocken war, hatte ihnen nicht beistehen können, da es nur zwei Ruder gab. Er starrte die beiden verwirrt an.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    Louie schaute mit glücklichem Staunen auf Mac und sagte ihm, wie dankbar und wie stolz auf ihn er war. Mac war auf dem Boden des Boots zusammengebrochen, doch er lächelte zurück. Er hatte weit mehr geleistet, als es sein körperlicher Zustand zuließ, aber der furchtsame, unreife Ausdruck war aus seinem Gesicht verschwunden. Mac hatte zu sich selbst gefunden.
     
    Louie

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