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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
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solchen Ungetümen einzulassen. Bald waren die Mägen der Männer wieder leer.
    Macs Gesamtverfassung verschlechterte sich nun von Tag zu Tag rapide. Er bewegte sich fast überhaupt nicht mehr. Alle drei Männer hatten enorm viel Gewicht verloren, Mac wirkte jedoch am meisten ausgezehrt. Apathisch starrte er aus tief in den Höhlen liegenden Augen in die Luft.
     
    Um den 30. Tag herum bereiteten sich die Männer bei Einbruch der Dunkelheit wie gewohnt auf die Nacht vor, sie schöpften Wasser ins Boot und schlangen ihre Arme umeinander, um warm zu bleiben. Der Himmel war wolkenlos und sternenübersät, der Mond schien auf das Wasser. Die Männer schliefen ein.
    Louie wachte von einem gewaltigen Aufprall, einem stechenden Schmerz und dem Gefühl von Schwerelosigkeit auf. Er riss die Augen auf und musste feststellen, dass er, Mac und Phil durch die Luft flogen. Sie stürzten ins Boot zurück und drehten sich, völlig überrumpelt von den Geschehnissen, um. Irgendetwas war mit enormer Gewalt gegen die Unterseite des Bootes gekracht. Die Feld-, Wald- und Wiesenhaie, die normalerweise ihre Gefolgschaft bildeten, waren bei weitem nicht kräftig genug, um mit solcher Wucht zuzuschlagen, und hatten dergleichen auch nie versucht.
    Sie schauten über den Bootsrand, und da sahen sie es. Aus den Tiefen näherte sich ihnen ein Leviathan und brach durch die Oberfläche: ein riesiges weißes Maul, ein breiter Rücken, und eine lange Rückenflosse, die im Mondlicht gespenstisch leuchtete. Das Tier war gut 6 Meter lang, mehr als dreimal so lang wie das Boot. Louie identifizierte es aufgrund der Kenntnisse, die er sich bei seinem Überlebenstraining erworben hatte. Es war ein großer weißer Hai. 3
    Die Schiffbrüchigen schauten zu Tode erschrocken schweigend zu, wie der Hai an der einen Seite des Boots entlangschwamm, kehrtmachte und, offenbar neugierig, zur anderen Seite schwamm, dort verharrte, dann plötzlich mit dem Schwanz seitwärts ausschlug, ihn gegen das Boot knallte und das Boot wegschleuderte. Eine riesige Welle schwappte über die Männer im Boot. Louie, Mac und Phil klammerten sich auf Knien in der Mitte des Bootes aneinander. Der Hai schwamm wieder auf die andere Seite. Louie flüsterte:
»Macht keinen Mucks!«
Noch einmal holte der Hai aus, Wasser ergoss sich über sie, und durch das Boot und seine Besatzung ging ein gewaltiger Ruck.
    |192| Eine Runde nach der anderen drehte der Hai, jedes Mal schwappte mehr Wasser ins Boot. Es hatte den Anschein, als spielte er mit dem Boot. Bei jeder Annäherung zuckten die Männer zusammen und rechneten damit, dass das Boot kenterte. Endlich tauchte der riesige Rücken unter, und das Meer über ihm schloss sich wieder zu einer glatten Oberfläche. Der Hai kam nicht wieder zurück.
    Louie, Phil und Mac legten sich wieder hin. Das Wasser um sie herum war jetzt kalt. Schlafen konnte keiner mehr.
     
    Am nächsten Morgen konnte Mac sich nicht mehr aufrichten. Er lag am Boden des Boots, kaum mehr als eine runzlige Mumie, sein Blick in weite Fernen gerichtet.
    Es kam ein letzter Albatros. Louie fing ihn, trennte ihm den Kopf ab und gab ihn Phil. Phil hielt den toten Vogel mit den Klauen nach oben über Mac und ließ ihm das Blut in den Mund laufen. Louie und Phil aßen das Fleisch; sie hielten es immer wieder ins Meer, um es zu salzen, und gaben Mac kleine Stücke davon, aber er kam nicht mehr zu Kräften.
    Francis McNamara am 26. Mai 1943, dem Tag vor dem Absturz, den nur er, Phil und Louie überlebten.
    Mac schwand zusehends dahin. Seine Wasserdosen waren leer. Als Phil seine eigene Dose öffnete und einen winzigen Schluck von dem wenigen Wasser nahm, das er sich noch aufgespart hatte, fragte Mac ihn, ob er etwas aus seiner Dose trinken könnte. Phil hatte die ganze Zeit schon am meisten unter dem Durst gelitten, und er wusste, dass das bisschen Wasser in seiner Dose, das er für sein eigenes Überleben brauchte, Mac nicht retten konnte. Behutsam versuchte er Mac zu vermit teln, dass er selbst nicht genug hatte, um mit ihm zu teilen. |193| Louie konnte Phil verstehen, aber er brachte es nicht über sich, Mac das Wasser zu verweigern. Er gab ihm einen kleinen Schluck von dem wenigen, das ihm noch blieb.
    An diesem Abend hörte Phil eine leise Stimme. Es war Mac, der Louie fragte, ob er sterben würde. 4 Louie schaute hinüber zu Mac, der ihn ansah. Es wäre respektlos, Mac anzulügen, dachte Louie. Vielleicht wollte er ja noch etwas sagen oder tun, bevor er starb. Louie antwortete ihm

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