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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
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bewegte. Dann bemerkte er in der düsteren Tiefe unter sich das riesige, aufgerissene Maul eines Hais, das aus der Dunkelheit auftauchte und sich direkt auf seine Beine zu bewegte.
    Louie wich zurück und zog die Beine an den Körper. Die Strömung war zu stark, er konnte seine Beine nicht unter seinen Körper bringen, doch er konnte sie zur Seite bewegen, aus der Reichweite des Haimauls heraus. Der Hai kam unbeirrt immer näher, jetzt direkt auf Louies Kopf zu. Louie erinnerte sich an den Rat des alten Mannes in Honolulu: Eine bedrohliche Miene aufsetzen, dann mit durchgedrücktem Arm dem Hai auf die Schnauze schlagen. Als der Hai nach seinem Kopf schnappte, fletschte Louie die Zähne, riss die Augen auf und rammte dem Hai seine Handfläche auf die Nase. Der Hai wich zurück und entfernte sich ein Stück, kam dann aber ein zweites Mal auf ihn zu. Wieder wartete Louie, bis der Hai nur wenige Zentimeter von ihm entfernt war, und versetzte ihm erneut einen Hieb auf die Nase. Wieder zog der Hai ab.
    Der Kugelhagel über ihm hatte aufgehört. So schnell er konnte, zog er sich an der Leine entlang zum Boot zurück. Er griff nach der Bootswand und zog sich hoch, in Sicherheit vor dem Hai.
    Mac und Phil lagen in Embryohaltung nebeneinander auf dem Boden des Boots. Sie rührten sich nicht, und um sie herum war das Boot von Kugeln durchlöchert. Louie schüttelte Mac. Mac gab ein Geräusch von sich. Louie fragte ihn, ob er getroffen worden sei. Mac verneinte. Louie sprach mit Phil. Phil sagte, er sei unverletzt.
    Der Bomber kam zu einem dritten Angriff zurück. Phil und Mac stellten sich tot, und Louie sprang wieder ins Meer. Während die Kugeln um ihn |183| herum die Wasseroberfläche durchschlugen, tauchte der Hai wieder auf, und Louie schlug ihn wieder auf die Schnauze und trieb ihn zurück. Dann griff ihn ein zweiter Hai an. Louie hing da, wand sich im Wasser und fuchtelte wild mit Armen und Beinen, während die Haie nach ihm schnappten und um ihn herum die Kugeln einschlugen. In dem Moment, als der Bomber außer Schussweite war, kletterte Louie wieder ins Boot. Phil und Mac waren nach wie vor unverletzt.
    Noch viermal nahmen die Japaner sie unter Beschuss, noch viermal musste Louie ins Wasser springen und die Haie kickend und stoßend abwehren, bevor der Bomber verschwand. Louie kämpfte bis zur völligen Erschöpfung gegen die Haie und schaffte es tatsächlich, nicht gebissen zu werden. Jedes Mal wenn er wieder aus dem Wasser auftauchte, rechnete er damit, dass Phil und Mac nicht mehr am Leben waren. Doch erstaunlicherweise war zwar alles um sie herum von den Schüssen durchlöchert, sie selbst aber hatten nicht eine einzige Kugel abbekommen.
    Und dann erlaubte sich die Crew des japanischen Bombers noch eine letzte sadistische Geste. Wieder hielt das Flugzeug auf die Boote zu, und wieder ging Louie im Wasser in Deckung. Die Abdeckungen des Bombenschachts schoben sich zurück, und eine Wasserbombe stürzte ins Meer. Etwa 20 Meter entfernt von den Booten schlug sie auf der Meeresoberfläche auf. Die Männer machten sich auf eine Explosion gefasst, aber es geschah nichts. Entweder war es ein Blindgänger gewesen, oder der Bombenschütze hatte vergessen, die Bombe scharfzumachen. Phil dachte bei sich:
Wenn die Japaner solche Stümper sind, dann wird Amerika diesen Krieg gewinnen
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    Louie ließ sich restlos entkräftet ins Boot zurückfallen. Als der Bomber wieder über ihnen auftauchte, war er zu erschöpft, um noch einmal ins Wasser zu gehen. Das Flugzeug flog ein letztes Mal über sie hinweg; Louie, Mac und Phil blieben einfach regungslos liegen. Es fielen keine weiteren Schüsse mehr. Der Bomber flog in Richtung Westen davon und verschwand.
     
    Phils Boot war in der Mitte entzweigefetzt. Eine Kugel hatte die Luftpumpe getroffen, war quer über den Boden des Bootes zurückgeprallt und hatte ihn vom einen zum anderen Ende aufgeschlitzt. Der gesamte Inhalt des Bootes war ins Wasser gerutscht. Da das zerstörte Boot aus gummierter Leinwand hergestellt war, ging es nicht unter, doch an eine Reparatur war nicht mehr zu denken. Als schlappe, formlose Masse dümpelte es auf dem Wasser dahin.
    Die Männer waren jetzt alle drei auf den Resten von Macs und Louies Boot zusammengequetscht, das natürlich viel zu klein für alle drei war. Der |184| Canvas war übersät mit kleinen Einschusslöchern. Das Boot hatte zwei Luftkammern, die beide beschädigt waren. Jedes Mal, wenn einer der Männer sich bewegte, entwich mit einem leisen

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