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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
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also, ja, er nehme an, dass er diese Nacht wohl sterben werde. Mac zeigte keine Reaktion. Phil und Louie legten sich hin, schlangen ihre Arme um Mac und schliefen ein.
    Irgendwann in der Nacht wachte Louie von einem Atemgeräusch auf, einem erschöpften Aushauchen von Luft, langsam, endgültig. Er begriff. 5
     
    Sergeant Francis McNamara hatte seine letzte Reise mit einem Akt der Panik begonnen, indem er die wertvollen Essensvorräte der Rettungsboote komplett verzehrte; dadurch hatte er sich selbst und die Männer, die mit ihm im Boot saßen, in äußerste Gefahr gebracht. In den letzten Tagen seines Lebens jedoch, beim Kampf um das defekte Boot und gegen die aggressiven Haie, hatte er alles gegeben, was noch in ihm steckte. Es reichte nicht aus, um ihn zu retten – wahrscheinlich beschleunigte es seinen Tod sogar –, doch für Phil und Louie war es wohl tatsächlich Macs Einsatz, der den Ausschlag für ihr Überleben gab. Wenn Mac den Absturz nicht überlebt hätte, dann hätten wahrscheinlich auch Louie und Phil jenen 33. Tag ihrer Fahrt nicht erlebt. Mac hatte in seinen letzten Tagen alles wieder gut gemacht.
    Am Morgen hüllte Phil Macs Leiche ein, wahrscheinlich in ein Stück Canvas von dem zerstörten Boot. Louie und Phil knieten sich bei der Leiche nieder und sprachen laut all die guten Dinge und Eigenschaften an, die sie von Mac kannten, lachten auch ein wenig über seine Leidenschaft für den Kuchen, den es in der Kantine immer gab. Louie wollte auf ihn eine religiös gefärbte Gedenkrede halten, wusste aber nicht, wie er das machen sollte, daher zitierte er unzusammenhängende Sätze, die er aus Filmen kannte, und schloss mit wenigen Worten darüber, dass sie die Leiche nun dem Meer übergeben wollten. Und er betete für sich selbst und für Phil und gelobte, er werde, falls sie gerettet würden, sein ganzes Leben Gott weihen.
    Als Louie seine Rede beendet hatte, nahm er den ausgemergelten Leichnam in seine Arme. Er fühlte sich an, als würde er keine 40 Pfund mehr wiegen. Louie beugte sich über den Rand des Bootes und ließ Macs Körper sanft ins Wasser gleiten. Er sank in die Tiefe. Die Haie ließen ihn in Ruhe.
    In der nun folgenden Nacht ging für Louie und Phil der 43. Tag auf dem |194| Boot zu Ende. Natürlich wussten sie es in diesem Moment nicht, aber damit hatten sie die Grenze überschritten, die mit größter Wahrscheinlichkeit den Rekord für das Überleben auf einem Schlauchboot darstellte. Falls es Menschen gab, die länger durchhielten, dann kamen sie ums Leben, bevor sie davon berichten konnten.
     
    Das Boot schaukelte weiter Richtung Westen. Hin und wieder kamen kleinere Unwetter auf und brachten genug Regen mit sich, dass das Wasser nicht ausging. Da die Wasserration jetzt nur noch zwischen zwei und nicht mehr zwischen drei Personen aufgeteilt werden musste, gab es für jeden Einzelnen mehr zu trinken. Louie machte aus seiner Leutnantsnadel einen Angelhaken und fing einen Fisch, bevor der Haken abbrach. 6
    Phil und Louie konnten die Krümmung der Oberschenkelknochen unter ihrer Haut sehen, ihre Knie bildeten gewaltige Ausbeulungen in der Mitte ihrer vogeldürren Beine, ihre Bäuche waren eingefallen, und überdeutlich zeichneten sich die Rippen ab. 7 Beiden Männern war ein struppiger Bart gewachsen. Ihre Haut schimmerte gelb von der ausblutenden Farbe des Boots, und ihre Körper waren überzogen mit Salzwunden. Sie hatten ihre von der Sonne verbrannten Augen auf den Horizont gerichtet und hielten nach Land Ausschau, aber es kam keines in Sicht. Ihr Hunger ließ nach, ein unheilvolles Zeichen: Das letzte Stadium des Verhungerns war erreicht.
    Eines Morgens erwachten sie in eine seltsame Stille hinein. 8 Das Boot bewegte sich nicht mehr auf und ab, es lag praktisch bewegungslos auf dem Wasser. Kein Wind wehte. Der Ozean erstreckte sich in alle Richtungen in glänzender Glätte, offen zum Himmel und in kristallklarer Vollkommenheit dessen Bild widerspiegelnd. Wie der alte Seemann in Coleridges Gedicht waren auch Louie und Phil in die Kalmen geraten, die unheimliche Zone um den Äquator herum, in der Wind und Strömung aussetzen. Sie lagen, wie Coleridge es beschrieb, so still »wie ein gemaltes Schiff auf einem gemalten Meer«.
    Es war eine Erfahrung von Transzendenz. Phil schaute nach oben und flüsterte, der Himmel sehe aus wie eine Perle. Das Wasser machte einen so beständigen Eindruck, dass es aussah, als könne man es trockenen Fußes überqueren. Wenn ein Fisch in weiter

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