Unbeugsam
tot. Alle Kriegsgefangenen, die auf dieser Insel festgehalten wurden, so seine Auskunft, wurden umgebracht.
Als der Mann hinausging, schaute der Wachsoldat Louie herausfordernd in die Augen, hob eine flache Hand an die Kehle und machte eine Bewegung, als würde er sich den Hals aufschlitzen. Er deutete auf die Namen an der Wand, dann auf Louie.
In dieser Nacht legte sich Louie so hin, dass sein Kopf in der Nähe der Tür lag; er wollte so weit wie möglich von der Abtrittgrube entfernt sein. |210| Kaum hatte er sich hingelegt, wurde die Tür aufgerissen, der Wachmann schnappte nach ihm, drehte ihn herum und drückte seinen Kopf an den Rand des Lochs. 3 Louie wehrte sich, woraufhin der Wärter zornig wurde. Louie gab auf und legte sich hin, wie der Wärter es von ihm verlangte. Offenbar sollte er in dieser Position liegen, damit der Wachsoldat ihn durch das Fenster in der Tür im Auge behalten konnte. Alle paar Minuten, die ganze Nacht hindurch, schaute er prüfend durch die Öffnung, um sicherzugehen, dass Louie sich nicht von der Stelle rührte.
Der Morgen des zweiten Tages brach an. Schweigend lagen Phil und Louie in der brütenden Hitze und rechneten jeden Augenblick damit, aus ihrer Zelle gezogen und enthauptet zu werden. Die Wachen stolzierten auf und ab, knurrten die Gefangenen an und zogen sich sadistisch grinsend die Handkante über den Nacken.
Louie hatte nach wie vor mit fürchterlichen Verdauungsbeschwerden zu kämpfen. 4 Sein Brechdurchfall wurde regelrecht explosiv, er krümmte sich in Krämpfen. Fliegen und Moskitos krabbelten scharenweise auf seiner Haut herum. So lang es ging, deckte er das Abtrittloch mit dem Gesäß zu, bis die Wache ihn anfuhr, er solle sein Gesicht zu dem Loch zurückbewegen.
Der Tag verging. Dreimal flog ein einziger Reisklumpen, nur wenig größer als ein Golfball, durch die Tür und brach auf dem Boden auseinander. Ein- oder zweimal wurde eine Schale mit einem Schluck Tee auf dem Fensterbord abgestellt, und Louie schlürfte ihn durstig weg. Die Nacht brach an.
Der nächste Tag, der übernächste Tag kam und ging vorüber. Die Hitze war mörderisch. Läuse bewegten sich über die Haut der Gefangenen. Moskitos umgaben sie in so dichten Schwärmen, dass Louies Handinnenfläche, wenn er die Hand zur Faust schloss und wieder öffnete, blutrot war. Sein Brechdurchfall wurde immer schlimmer, er hatte jetzt Blut im Stuhl. Jeden Tag schrie Louie nach einem Arzt. Eines Tages kam auch tatsächlich einer. Er schaute von außen in die Zelle, sah Louie an, lachte in sich hinein und verschwand wieder.
Die beiden Gefangenen, die auf dem nackten rauhen Boden liegen mussten, hatten das Gefühl, dass ihre Knochen durch ihre Haut scheuerten. Louie bat um eine Decke, auf die er sich setzen könnte, seine Bitte wurde ignoriert. Er verbrachte die Zeit mit dem Versuch, seine Beine zu stärken, er zog sich in eine aufrechte Stellung und blieb eine oder zwei Minuten stehen, wobei er sich an der Wand festklammerte, dann sank er wieder in sich zusammen. Er vermisste das Rettungsboot.
|211| Zwei Schluck Wasser pro Tag reichten auch nicht annähernd aus, um Louies sturzflutartigen Wasserverlust auszugleichen. Sein Durst wurde schlimmer als alles, was er auf dem Boot durchgemacht hatte. Er kroch zur Tür und bettelte um Wasser. Die Wache ging weg und kam mit einer Schale zurück. Louie schleppte sich dankbar nah an die Tür heran, um die Flüssigkeit entgegenzunehmen. Der Wächter schüttete ihm siedend heißes Wasser ins Gesicht. 5 Louie war so dehydriert, dass er nicht anders konnte als weiterzubetteln. Mindestens viermal noch bekam er dieselbe Reaktion; irgendwann war sein Gesicht mit Brandblasen übersät. Ihm war klar, dass er an dem Wasserverlust sterben konnte, und ein Teil von ihm wünschte sich auch gar nichts anderes.
An einem dieser elenden, verzweifelten Tage vernahm Louie Gesang. 6 Die Stimmen, die er über dem Boot gehört hatte, waren zu ihm zurückgekehrt. Er schaute sich in seiner Zelle um, konnte die Sänger jedoch nicht sehen. Nur ihre Musik war bei ihm. Er ließ sich von ihr überströmen und fand in ihr einen Grund, die Hoffnung nicht aufzugeben. Irgendwann wurde das Lied leiser und hörte auf, Louie aber sang es sich in seinem Inneren leise weiter vor, immer wieder. Er betete inbrünstig, leidenschaftlich, Stunde um Stunde.
Am anderen Ende des Korridors schmachtete Phil. 7 Überall waren Ratten, sie kletterten am Kübel für die Exkremente hinauf und suhlten sich in seinem
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