Uncharted - Das vierte Labyrinth
Metern Entfernung miteinander rangen. Wie Hyänen hatten sich die drei Vermummten auf Sully gestürzt, und einer von ihnen presste ihm die Hand auf den Mund. Sullys Augen waren weit und leuchteten im Schein der Lampe. Drake hätte am liebsten weggesehen. Er wusste, jeden Moment würde eine dieser geschwungenen Klingen Sullys Kehle durchtrennen.
„Da unten!“, schrie Olivia über ihnen. „Da unten sind noch mehr von ihnen!“
„Drake!“, rief eine tiefe Stimme.
Er drehte sich nicht um. Die Stimme gehörte Tyr Henriksen, und Drake musste nicht hinsehen, um zu wissen, was der Ruf bedeutete. Sie hatten den Kampf oben an der Kreuzung gewonnen. Der Norweger war verwundet, aber am Leben, und gemeinsam mit Olivia und – den Schritten auf dem Fels nach zu urteilen – noch jemand anderem begann er nun, in den Tunnel hinabzusteigen.
„Lasst ihn los!“, brüllte Drake zu den Vermummten hinunter.
Natürlich kamen sie seinem Wunsch nicht nach. Aber immerhin schnitten sie Sully auch nicht die Kehle durch. Stattdessen zerrten sie ihn weiter in die Tiefe, wo die Schatten sie verschluckten.
„Scheiße!“, schrie Drake. Es war genau wie bei Welch. Sie hatten den Kampf verloren und zogen sich zurück, aber sie nahmen Sully mit.
Er drehte sich um, als Henriksen über die Schräge auf ihn zuschlitterte. Der Verwundete hatte seine Pistole verloren, aber die Taschenlampe hielt er noch in der Hand.
„Her damit!“, bellte Drake.
„Er ist so gut wie tot“, entgegnete Henriksen in schneidendem Tonfall.
„Nein“, sagte Jada. „Sie haben ihn mitgenommen! Sie haben ihn nicht getötet!“
Drake riss dem Norweger die Taschenlampe aus der Hand. „Ich muss da runter.“
Er rannte los, in das vergessene Herz des Labyrinths hinab, und als er Jada hinter sich spürte, ihre Schritte hörte, den Strahl ihrer Taschenlampe über die Wände vor sich tanzen sah, versuchte er erst gar nicht sie aufzuhalten. Dafür war keine Zeit, außerdem war Sully nach Lukas Tod die Person, die für Jada einem Ersatzvater am nächsten kam. Und nicht nur für Jada, auch für Drake.
Sie würden ihn gemeinsam retten – oder bei dem Versuch sterben.
16.
Drake war von völliger Finsternis umgeben. Er stand da, hatte die Stirn gegen den heißen Stein gepresst und bemühte sich, vor Frustration nicht laut zu schreien. Er konnte das Klacken und Rascheln hören, als Jada neben ihm in ihrem Rucksack kramte und nach neuen Batterien für die Taschenlampe suchte. Sie murmelte leise vor sich hin, aber er hörte die Worte kaum. Versuchte sie, ihn zu beruhigen oder sich selbst? Er wusste es nicht. Vermutlich beides.
Wie viel Zeit war vergangen, seit die Vermummten Sully weggezerrt hatten? Anderthalb Stunden? Zwei?
Zunächst hatte es sich angefühlt, als wären sie den mordenden Bastarden dicht auf den Fersen, und er war fest davon überzeugt gewesen, sie einholen zu können. Beständig hatte er sich eingeredet, dass die Killer Sully nicht umbringen wollten. Dazu hatten sie im Tunnel ausreichend Gelegenheit gehabt, und sie hatten es nicht getan. Dennoch verfolgte ihn das Bild, wie Sully sich gegen den Griff der drei Angreifer gewehrt hatte, als sie ihn in die Schatten zerrten. Sollte das das letzte Mal gewesen sein, dass er seinen Freund und Mentor lebendig zu Gesicht bekommen hatte? Nach einer Weile hatte er sich gezwungen, nicht mehr darüber nachzudenken, und sich voll und ganz auf die Verfolgung konzentriert.
Doch schon bald hatte die Jagd sich in eine Suche verwandelt. Sie waren den Wirren des Labyrinths gefolgt und hatten sich an den diamantförmigen Symbolen orientiert, um auf dem richtigen Weg zu bleiben und nicht in einen der zahlreichen falschen Tunnel einzubiegen. Angehalten hatten sie nur hin und wieder, um nach Geräuschen zu lauschen, einem Scharren, einem Schaben, irgendeinem Anzeichen dafür, dass die Vermummten vor ihnen waren. Sully hätte bestimmt nach ihnen gerufen, das wusste Drake, und er redete sich ein, dass die Killer ihn bewusstlos geschlagen hatten. Doch die einzigen Laute, die an sein Ohr drangen, waren das Scharren ihrer eigenen Stiefel auf dem Boden und das ungleich lautere Pochen seines Herzens.
Nach fünfzehn Minuten hatte Drake Angst bekommen, dass sie sich geirrt hatten, als sie annahmen, die Vermummten würden den markierten Weg zur Mitte des Labyrinths nehmen. Deshalb waren sie umgekehrt und hatten die Nebengänge entlang des Weges überprüft. Ohne eine Spur von den Killern, ohne einen Mucks von Sully hatten sie auch
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