Und alles nur der Liebe wegen
o Gott! Ich kann nicht sprechen. Ich bin total fertig, Ludwig!«
»Ich komme«, sagte Ludwig kurz und legte auf.
Lucia ließ den Hörer aus der Hand fallen. »Er kommt«, stammelte sie.
»Sehr gut.« Beljonow küßte ihren Nacken.
Aber dieses Mal durchrann sie kein Schauer.
»Ich habe deinen Mann fast zehn Jahre nicht mehr gesehen. Ist er gesund?«
»Ja. Ab und zu der Kreislauf … Das kennt man ja bei Männern, die nur arbeiten.«
»Kreislaufkollaps! Sehr gut!« Beljonow tätschelte ihre Schulter. »Man kann vor Aufregung einen Herzschlag bekommen.«
Mit weiten Augen starrte Lucia ihren Geliebten an. »Was hast du vor?« stammelte sie. »Um Himmels willen, Henk, mach bloß keine Dummheiten, du wirst mir unheimlich.«
»Das ist ein guter Boden für Liebe.« Beljonow lachte laut. »Die menschliche Seele ist immer unheimlich.«
Am späten Nachmittag landete Ludwig Etzel auf dem Flugplatz Köln-Wahn.
Sein Rechtsanwalt aus Köln erwartete ihn bereits mit seinem Wagen und hatte die neuesten Informationen. »Peter ist aus einem Ferieninternat im Schwarzwald ausgerückt«, erklärte er, »wußten Sie das?«
»Er war im Schwarzwald?« Ludwig blieb wie angewurzelt stehen. »Was macht Peter im Schwarzwald?«
»Dort wurde er von Ihrer Frau abgegeben.«
»Lucia hat Peter …?« Ludwig ließ sich in die Polster fallen. »Dr. Schachtner, bleiben Sie bei mir. Ich glaube, hier sind während meiner Abwesenheit Dinge geschehen, für die ich einen Zeugen brauche. Wie ich meinen Sohn kenne, ist er nicht freiwillig in ein Ferieninternat gegangen.« Er sah seinen Anwalt kurz an, während dieser den Wagen anließ. »Doktor, verschweigen Sie mir etwas? Sie sind doch eine Art Salonlöwe … Was ist geschehen?«
»Der Tenor Beljonow ist aufgetaucht«, sagte Dr. Schachtner, »kennen Sie ihn?«
»Ja.« Ludwig starrte auf die Straße, die sie entlangbrausten. »Ein Jugendfreund meiner Frau aus ihrer Theaterzeit, damals in Detmold! Ein eingebildeter Nichtskönner!«
Vor ihnen tauchte der Dom auf, der Rhein, die Brücke. Peter, dachte Ludwig, mein Junge, was wirst du mir erzählen? In diesen wenigen Minuten liefen die letzten Jahre seines erfolgreichen Lebens vor ihm ab, hastig und überstürzt wie ein viel zu schnell sich abspulender Film. Der Erfolg war ihm buchstäblich nachgelaufen. Er brauchte ihn nur zur Kenntnis zu nehmen, zu akzeptieren, auf irgendeine Weise damit umzugehen. Daß dieser Erfolg auch seinen Preis verlangte, hatte er für graue Theorie gehalten. Er würde keine Schwierigkeiten damit haben, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen – und nun war ihm das Privatleben aus dem Ruder gelaufen. Lucia betrog ihn mit dieser unsympathischen Sängerniete Beljonow, die Zwillinge, seine bildschönen Töchter, machten sich immer selbständiger – ganz zu schweigen von Karins miserablen Schulleistungen –, und Peter, sein besonderer Liebling, hatte nun offensichtlich die Eltern und ihre Machenschaften satt.
Seine Ehe mit der attraktiven Lucia war nie langweilig gewesen, freilich auch nicht immer friedlich. Mit ihren Launen hatte sie ihn – und später auch die Kinder – auf Trab gehalten, stets Rücksichtnahme von ihnen allen verlangt, viel Beachtung und Zuwendung. In solchen Phasen war es niemand möglich, sie zufriedenzustellen. Man mußte abwarten, bis sie ihr inneres Gleichgewicht wiederfand; dann freilich konnte sie eine strahlende, liebenswürdige Frau sein, die jeden, der mit ihr zu tun hatte, bezauberte. So hatte er sie damals geliebt, als er sie heiratete, und so liebte er sie heute noch. Vielleicht würde die Geschichte mit Peter sie ein wenig nachdenklich machen, ihr die Launenhaftigkeit abgewöhnen.
Tief in Gedanken versunken, merkte er zunächst gar nicht, daß der Wagen mittlerweile vor seiner Villa hielt. Erst als Dr. Schachtner ihn ansprach, kehrte er in die Gegenwart zurück. Die beiden Herren stiegen aus und gingen auf das schmiedeeiserne Gartentor zu.
Für Pepi war die Niederlage mit dem Ochsen nicht zu verwinden. Man konnte ihn einen Idioten nennen, da lachte er bloß. Aber wenn es um seine Stärke ging, da kannte er keinen Spaß. Kraft hatte er wirklich, und sie mußte anerkannt werden. Wie ein Turm stand er am nächsten Tag am See, als die Mädchen wieder zum Schwimmen kamen.
Diesmal ging Karin nicht mit, sie schützte Kopf- und Leibschmerzen vor und blieb im Bett. Sie wußte, warum. Und sie wunderte sich später auch nicht, als man ihr erzählte, daß der Muskelmann am See gewesen
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