Und am Ende siegt die Liebe
wieder hassen wie zu Beginn ihrer Bekanntschaft, oder ihn wenigstens verabscheuungswürdig finden? Doch jetzt verspürte sie nur eine grenzenlose Einsamkeit bei dem Gedanken, was sie mit ihm alles verlieren würde — einen großen, so bezwingenden Mann, dem sie ganz zu gehören schien. Und dazu noch diese Frauen, die sie als eine Freundin und nicht als ein nutzloses Wesen betrachtet hatten.
Am nächsten Morgen bemühte sie sich sehr, zu lächeln, stand auf dem Quarterdeck und winkte ihren Freundinnen nach, die es alle eilig hatten, das Schiff zu verlassen, weil sie sich auf dieses neue Land freuten oder von Angehörigen erwartet wurden.
Travis hatte sie allein an Deck gelassen, weil er sich mit einigen Matrosen um das Ausladen von Frachtstücken kümmern mußte. Als sie an diesem Morgen aufgewacht war — sie hatte diesmal sehr lange geschlafen —, lag das Schiff bereits am Kai, und von den Passagieren waren schon einige an Land gegangen. Nachdem Travis ihr einen flüchtigen Kuß auf die Wange gedrückt hatte, hatte er ihr mitgeteilt, daß er bis zum Nachmittag beschäftigt sein würde. Der Sturm habe das Schiff viel rascher, als erwartet, nach Amerika gebracht, und daher wäre auch niemand am Kai, um sie beide abzuholen.
Sie beide? hatte sich Regan gewundert, und nun sah sie zu, wie Travis den Matrosen Anweisungen gab, wo eine Reihe von Kisten auf dem Kai abzustellen seien.
»Mrs. Stanford?«
Als Regan sich bei dem zaghaften Klang dieser Stimme umdrehte, sah sie David Wainwright vor sich stehen. Er wirkte schmaler, als sie ihn in Erinnerung hatte, und seine Augen blickten zu einer Stelle, die sich irgendwo links neben ihrem Kopf befinden mußte.
»Ich wollte Euch und Eurem Gatten alles Gute wünschen«, sagte er leise.
»Das ist nett von Euch«, antwortete sie. Sein Gesicht spiegelte all die Ängste wider, die sie selbst empfand, obwohl sie hoffte, man könne sie ihr nicht so deutlich anmerken. »Ich wünsche, daß uns Amerika besser gefallen möge, als wir beide zunächst glaubten.«
Er griff ihren Wink, das Gespräch fortzusetzen, nicht auf. Seine Verlegenheit war dafür zu groß. »Sagt Eurem Gatten .. .«, begann er, war aber nicht imstande, den Satz zu beenden. Statt dessen ergriff er ihre Hand, drückte einen innigen Kuß darauf, sah ihr dabei einen Moment in die Augen, hauchte: »Lebwohl« und hastete dann über die Gangway davon.
Davids gefühlvoller Abschied hatte ihr das Herz erwärmt. Sie beugte sich über die Reling und sah Travis stirnrunzelnd zu ihr heraufschauen. Sie hob die Hand und winkte ihm vergnügt zu. Zum erstenmal war sie guter Hoffnung, daß sie vielleicht doch allein in diesem neuen Land zurechtkommen würde. Schließlich war es ihr gelungen, Freunde auf diesem Schiff für sich zu gewinnen. Vielleicht. ..
Travis ließ ihr keine Zeit mehr, ihren Hoffnungen nachzuhängen; denn in wenigen Sekunden stand er schon neben ihr und sagte, sie solle sich beeilen, essen, etwas Derbes anziehen, die Koffer zu Ende packen .. . Wie bisher wollte er offenbar über ihr Leben bestimmen.
Er kann es wohl kaum erwarten, mich loszuwerden, dachte sie bitter, während sie seine Anweisungen befolgte, doch mit einer Bedächtigkeit, die Travis unerträglich zu finden schien.
»Entweder bist du in zwei Minuten fertig, oder ich trage dich samt Koffer aus der Kabine«, warnte er sie. »Ich habe ein Fuhrwerk bestellt, und das wartet bereits auf uns. Zudem möchte ich noch vor Sonnenuntergang ans Ziel kommen.«
Ihre Neugierde war größer als ihre Empörung. »Wo fahren wir eigentlich hin? Hast du bereits eine . .. eine Stellung für mich gefunden?«
Den Koffer auf der Schulter, drehte sich Travis unter der Kajütentür um und grinste. »Das habe ich! Einen Job, für den du dich besonders gut eignest. Nun komm schon, sonst steht sich der Gaul noch die Beine in den Leib.«
Regan nahm ihren ganzen Mut zusammen, damit man ihr die Nervosität nicht anmerkte, und folgte ihm mit hoch erhobenem Kopf die Gangway hinunter.
Er warf ihr Gepäck auf das häßlichste, verwahrloseste Fuhrwerk, das sie jemals gesehen hatte.
»Entschuldigung«, sagte er lachend, als er ihr enttäuschtes Gesicht sah. »Ich habe dir doch erzählt, daß wir viel zu früh angekommen sind; und etwas Besseres konnte ich nicht auftreiben. Heute abend werden wir bei einem Freund eine Unterkunft finden, und morgen früh leihe ich mir eine Schaluppe.«
Für Regan reimte sich das alles nicht zusammen. Sie wußte zwar, daß >Schaluppe< die
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