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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Dazu brauchte er die ganze
Fahrbahnbreite. Und er brauchte natürlich ewig, oft stauten sich bestimmt zwanzig
Autos hinter ihm.
    Ich sah ihrem Blick richtig an, dass sie die Tür zuschlagen wollte –
trotzdem schlängelte ich mich einfach an ihr vorbei. Das war jetzt bestimmt
Hausfriedensbruch, doch schließlich wollte ich irgendwann von meinem Beruf
leben.
    Â»Das geht nicht«, sagte sie böse. »Der Klaus hat einen Schub. Den
kann man nicht interviewen.«
    Das war mir auch klar, dass man den alten Ernsdorfer nicht
interviewen konnte, jedenfalls nicht, wenn man klar im Kopf war. Ich hatte
nicht unterlassen, meinen Chef darauf hinzuweisen, aber mir glaubte ja keiner.
    Â»Vielleicht kurz«, sagte ich höflich. »Nur eine Frage. Wenn es ihn
aufregt, dann höre ich sofort auf.«
    Es sah eher so aus, als würde sich die Ernsdorferin gleich ganz
furchtbar aufregen.
    Â»Dem Klaus kannst keine Frage stellen«, giftete sie mich an. »Da
müsst man sich ja schämen, wenn der Krampf dann in der Zeitung gedruckt wird.«
    Oje. So schlimm war es also um unseren ehemaligen Bürgermeister
bestellt. Ich ging unbeirrt weiter in das Haus hinein.
    Â»Ich bräuchte ja nicht unbedingt alles in die Zeitung bringen. Nur
die Aussagen zur Kreiselthematik«, blieb ich hartnäckig. »Vielleicht tut es ihm
ja gut, wenn er etwas von früher erzählen kann.« Ein einziges Mal wollte ich
ein Interview schaffen, ohne vorher abgewimmelt worden zu sein. Echt, die
Ernsdorferin wieder. Wäre ihre Schwiegertochter da gewesen, hätte ich die
bestimmt davon überzeugt. Der war es nämlich komplett wurscht, ob über den
Ernsdorfer deplatzierter Mist in der Zeitung stand.
    Â»Nein!«, kreischte die Ernsdorferin los. »Habts ihr denn keinen
Reschpekt vor dem Alter ned?«
    Sie sah noch dämonischer aus als zu Beginn, und jetzt erschien auch
noch der junge Ernsdorfer in einer Tür.
    Â»Die wollen ein Interview mit dem Papa!«, kreischte sie ihren Sohn
an. »Die haben doch nicht mehr alle. Des machen die uns doch zu Fleiß, dass der
arme Papa dasteht, als wär er nicht ganz normal.«
    Jetzt sah auch der Ernsdorfer dämonisch aus. Oje. Vielleicht sollte
ich doch den Rückzug antreten. Anscheinend ging es dem »Ernsdorfer Papa«
wirklich schlecht.
    Â»Ja, okay«, lenkte ich ein. »Darf ich dann Sie zum Thema Kreisel was
fragen?«
    Später fragte ich mich, ob es einen medizinischen Fachausdruck für
Orientierungslosigkeit in fremden Gebäuden gibt. Darunter litt ich anscheinend.
Denn nachdem mir der Ernsdorfer nur in etwas höflicherer Form als seine Mutter
mitgeteilt hatte, ich solle mich schleichen, öffnete ich intuitiv die nächste
Tür, in der festen Überzeugung, das sei der Weg nach draußen. Woraufhin die
Ernsdorferin neben mir höllisch schrill aufkreischte.
    Da die Tür offen stand, sah ich auch gleich, dass es nicht der
Ausgang war. Es war ein – für Leute wie die Ernsdorfers – hübsch eingerichtetes
Zimmer, das vor allen Dingen durch sein plüschiges knallrotes Samtsofa auffiel.
Ich blieb mit offenem Mund stehen. Ein rotes Samtsofa, der Wahnsinn. Und auf
dem Tischchen davor lag eine Pornozeitschrift mit einer Blondine, die so was
von riesigen Brüsten hatte. Pornozeitschrift, noch ein Wahnsinn, dachte ich
mir. Die geben dem armen alten Ernsdorfer Pornozeitschriften, wenn er seinen
Schub hat.
    Ich drehte mich entschuldigend zur immer noch kreischenden
Ernsdorferin um. Ich versuchte, in meinen Blick so etwas wie eine
Entschuldigung hineinzulegen, und dass ich die Sache mit der nackerten Blondine
bestimmt nicht journalistisch verwerten würde. Hand aufs Herz. Aber anscheinend
kam mit meinem Blick nicht alles so richtig rüber, und so kam ich schleunigst
ihrer Aufforderung »zupf de« nach und verzupfte mich ins Freie.
    Puh.
    Wieso musste sie sich so über eine Pornozeitschrift aufregen? Kann
doch mal passieren, dass man versehentlich eine herumliegen hat, oder?
Schlimmer war doch, dass ich überhaupt kein Interview hatte und dass auch die
ein Euro fünfzig sehr zuversichtlich geschätzt gewesen waren.
    Mannometer. So große Brüste hatte ich noch nie gesehen.
    Frustriert setzte ich mich wieder in mein Auto. Nur nicht aufgeben.
Dann würde ich eben jemand anderen interviewen. Mir fiel dazu spontan der
Kreiter ein, denn der hatte das letzte Mal gesagt, dass man bei einer Ampel
weniger

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