Und bitte für uns Sünder
seit einiger Zeit die Passion, aus vollkommen unbrauchbaren
Gegenständen etwas zu machen, was keiner haben, aber auch niemand wegwerfen
wollte, nämlich Kunstobjekte. Jawohl, dachte ich mir voller Begeisterung, wenn
mir der Kreiter kein Interview geben wollte, würde ich etwas über diesen Garten
schreiben, denn das gefiel den Leuten immer wieder. Der Garten war nämlich den
Wimmelbilderbüchern von Ali Mitgutsch nicht unähnlich, man konnte eigentlich
ständig etwas Neues entdecken. Hier ein kleines angeschweiÃtes Quirlchen, dort
ein rostiger Nagel, der wie eine dürre Nase aus einem Blecheimer ragt. Und dazu
noch ein paar Konservendosendeckel, die wie eine wilde Frisur auf dem Eimer
saÃen. Wenn das nicht kreativ ist, dann weià ich auch nicht. Um etwas Neues zu
sehen, musste man sich schon ein bisschen anstrengen â einfach mit dem Auto
vorbeifahren und einen Blick darauf werfen war zu wenig. Denn der Garten hinter
dem Müllhäuschen war übervoll mit kunstvollem Gerümpel. Das Gute daran war,
dass das Müllhäuschen mit den abgrundhässlichen Fliesen durch den Künstlermüll
überhaupt nicht weiter auffiel. Wenn Hans noch ein paar Quirle angeschweiÃt
hätte, hätte man auch das Müllhäuschen als Kunst durchgehen lassen können.
Während ich auf die Haustür zusteuerte, blieb ich immer wieder
stehen. Hans war schon vor einiger Zeit darauf umgestiegen, auch von anderen
Leuten Müll zu rekrutieren, um Kunst zu produzieren. Der Kreitersche Müll
reichte schon lange nicht mehr. Mit einer gewissen Schadenfreude sah ich eine
alte rosa Decke, die vom Regen schon stark mitgenommen war. Die war von der
Rosl. Echt wahr. Geschmacklos ohne Ende, aber richtige Handarbeit. Und dann
natürlich der phänomenale Stuhl von der Kreiterschen Oma, die sich im Grab
umdrehen würde, wenn sie wüsste, dass ihr Klostuhl in der Kreiterschen Kunstdauerausstellung
zu bewundern war. Neuerdings eng vereint mit einem zweiten Klostuhl. Also echt.
Wer den wohl entsorgt hatte? Meine Neugierde war hemmungslos, und nach einem
kurzen Blick zur geschlossenen Haustür stieg ich über ein paar zerbrochene Blumentöpfe,
um mir den neuen Stuhl von allen Seiten anzusehen. Und siehe da â ich konnte
mir ein Grinsen nicht verkneifen â, unten, ganz versteckt, stand mit schwarzem
Edding Dahlienweg 16 geschrieben und dazu irgendeine
Liefernummer.
Was für ein prachtvolles Teil der Kreitersche Klostuhl war, ein
echter Stuhl aus der Gründerzeit! Das Loch war zwar selbst ausgesägt, was
bedeutete, dass man sich womöglich irgendwelche Schieflinge in den
Allerwertesten zog. Man wusste ja, was passierte, wenn man sich mit nacktem Hintern
auf Holz setzte. Mannomann. Die arme alte Kreiterin. Nicht aber der Besitzer
des fremden Klostuhls aus dem Dahlienweg. Der hatte einen richtigen, gekauften
Klostuhl, aus Plastik. Da wischt man einmal drüber, und schon ist alles
hygienisch. Das mit dem Drüberwischen hätte der Kreiter auch mal machen können,
denn jetzt sah der fremde Klostuhl wirklich nicht mehr taufrisch aus. Auf dem
Kreiterschen Gründerzeitklostuhl hinterlieÃen die Algen fast eine künstlerische
Note, aber auf dem weiÃen Plastikzeug wirkte das doch ein wenig schmutzig. Aber
immerhin hatte der Plastikstuhl keine Gebisse oder Quirle angeschweiÃt, sondern
so eine Art Konservendosen-Recyclingkette, die sich kunstvoll von den Lehnen
durch die Kloöffnung wand, um sich dann dekorativ um die Stuhlbeine zu
schlängeln. Na ja. Das war jetzt eher ein künstlerischer Fehlgriff.
Echt eine Schande, dass der Kreiter es nicht der Mühe wert fand, die
ganzen Algen von den Kunstwerken zu scheuern, überlegte ich mir grinsend. Und
wenn ich mal Zeit hatte, würde ich nachschauen, wer im Dahlienweg 16 wohnte. Aber nicht, bevor ich nicht ein paar Takte mit
dem Kreiter geredet hatte. AuÃerdem war ich mir ganz sicher, dass ich eben
etwas ganz Wertvolles für einen späteren Artikel gefunden hatte. Manchmal lieÃ
sich unser Chef nämlich davon überzeugen, dass die Leute etwas aus dem Alltag
des Dorfes lesen wollten. Und dann durfte man irgendetwas zusammenfabulieren,
worüber sich die Leute das Maul zerreiÃen konnten.
Als ich mich wieder hinter dem Klostuhl aufrichtete, stand der
Kreiter so nahe vor mir, dass ich quietschte.
»Die Lisa Wild«, sagte er, und sein Blick kam mir ebenfalls ziemlich
dämonisch vor.
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