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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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dem Krieg, da wär jeder froh g’wesen, wenn man den Ernsdorfer hätt
suchen können und dafür ein Ranftl Brot kriegt hätt.«
    Die Zeiten mit dem Ranftl Brot waren Gott sei Dank vorbei. Ich
schlich hinter den anderen her, in der Hoffnung, auf keinen Fall über den
Ernsdorfer zu stolpern, aber doch so viel mitzubekommen, um eine gute Reportage
daraus zu machen.
    Meine Mülltonnensuche hatte ich aufgegeben. Schließlich hatte jeder
bei uns einen Bollerofen zu Hause stehen. Nichts einfacher, als verdächtiges
Papiermaterial zu verbrennen. Deswegen waren auch alle Papiertonnen so leer,
weil jeder lieber qualmendes Papier verbrannte, als die Papiertonne zu füllen.
    Wahrscheinlich würden jetzt alle im Dorf über mich reden, weil ich
alte Quelle-Kataloge stahl. Außerdem hatte der Serienmörder bestimmt schon
seine Rückschlüsse gezogen. Und das alles nur, weil meine Großmutter ein
bisserl mit der Kreiterin »schmatzen« musste.
    Das Feld der Suchenden zog sich bereits weit auseinander – man sah
sozusagen bildlich vor sich, wer den Ernsdorfer nicht finden wollte. Eigentlich
wollten nur die von der Feuerwehr ihn wirklich finden. Vermutlich, weil sie
erst vor zwei Jahren ein neues Feuerwehrhaus genehmigt bekommen hatten, und da
musste man schon mehr Begeisterung am Suchen zeigen als der
Durchschnittssucher. Sie stürmten auf jeden Fall ganz schön dahin. Vielleicht
auch in der Hoffnung, dass sie nichts fanden, wenn sie nur schnell genug
stürmten.
    Einige »Suchhunde« waren auch mit dabei. Die Ernsdorfers hatten sich
nämlich wirklich bemüht, sämtliche Hunde in unserem Dorf zu mobilisieren. Ich
hatte schnell ein Hüftleiden erfunden, das meinen Hund leider daran hinderte
mitzumachen. Mein Hund wäre zwar bis in die Steinzeit beleidigt, wenn er das
wüsste, denn nichts tat er lieber, als nach wirklich fauligem Zeug zu suchen –
aber das war mir egal. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie eine Suche mit
ihm ausgesehen hätte. An jedem Bieselbaum eine kleine Schnupperpause, jede
Kaninchenspur von Interesse, nicht zu reden von all den unaussprechlichen
furchtbar stinkenden Was-auch-Immers, die er stets fand. Und dann hätte ich
vermutlich die ganze Zeit Resi mit ihrem Köter an der Backe gehabt. Nein, man
konnte nicht alles unbegrenzt ertragen.
    Ich entdeckte einen meiner früheren Kletterbäume, und sofort setzte
ein gewaltiger Nostalgieschub ein, gegen den ich mich nicht wehren konnte. Ich
musste nach oben klettern. Außerdem hatte man dort einen viel besseren
Ausblick, redete ich mir ein. Klettern ist vielleicht der falsche Ausdruck für
das, was ich machte. Denn man baut körperlich ganz schön ab, wenn man das nicht
täglich macht.
    Ich kam trotzdem ziemlich weit hinauf. Dort saß ich dann keuchend
und mit hochrotem Kopf und beschloss zu warten, bis ich keinen hochroten Kopf
mehr hatte, bevor ich wieder hinunterstieg. Außerdem hatte man eine tolle Sicht
auf den Graben zwischen dem Kreiterschen und dem Troidlschen Feld. Dort lag der
Ernsdorfer jedenfalls nicht. Gott sei Dank. Ich erinnere daran, dass es mir
persönlich nur Unglück bringt, einen Toten zu finden.
    Ich ließ meinen Blick weiter über die Felder schweifen, den
Suchenden hinterher. Aus der Entfernung wirkte das Treiben ganz nett, wie ein
großer Sonntagsausflug. Die Resi wurde von ihrem sexwütigen Hund quer über den
Acker gezerrt, bis er schließlich ganz lange an einem Baum schnuppern musste.
Vielleicht hatte da der alte Ernsdorfer hingebieselt, dachte ich pietätlos,
weil auch der Rüde vom Eicher Max dort stehen blieb. Und der ausgeliehene
Schäferhund, der den Schorsch hinter sich herzerrte, gesellte sich ebenfalls zu
der netten Bieselrunde. Im nächsten Moment schlug die Stimmung am Bieselbaum
um, und der Rüde vom Eicher Max begann, sich in den Rüden von der Resi zu
verbeißen.
    Plötzlich begann mir der Tag Spaß zu machen. Tja. Gut gemacht, Lisa.
Hund zu Hause, Großmutter zu Hause, und ich weit weg vom Geschehen. Mehr konnte
man von einem schönen sonnigen Tag eigentlich nicht erwarten. Die Feldlerche
schwang sich juchzend in den Himmel und blieb dort oben. Man hörte nur noch
ihre Stimme, die so weit weg war, dass man den Vogel nicht mehr sah. Das Gras
hatte nach dem letzten kräftigen Regen zu schießen begonnen. Zack. Über Nacht
war es saftig, grün und hoch geworden, und der Wind trieb

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