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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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silberne Wellen über
den Hügel.
    Zufrieden mit mir ließ ich meinen Blick über die Weite der Felder
gleiten. Man sah genau, wer wo gesät hatte. Der Kreiter war mit seinem Claas
Axion dermaßen exakt über seine Felder gebraust, dass keine Delle, kein
Wackeln, rein gar nichts Schiefes auszumachen war. Wenn er eine Bahn zu Ende
gesät hatte, hatte er in einem eleganten Bogen gewendet und in akkurat
demselben Abstand die nächste Bahn gezogen.
    Der Troidl hatte für solche Ästhetik keinen Sinn. Stellenweise hatte
er ganz schön Schlagseite, fuhr riesige Schleifen am Ende des Felds, bevor er
wieder die Kurve gepackt und es geschafft hatte, gerade über das Feld zu
fahren.
    Von Loisls Feldern brauchte man gar nicht zu sprechen. Von hier aus
sah man zwar kein Feld von ihm, aber ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie
aussahen. So wie jedes Jahr. Er hatte wahrscheinlich schon wieder zu spät gesät
oder gar nicht. Meist aber zu spät. Dann wuchs in einem wilden Durcheinander
viel Unkraut und schlechtes Saatgut. Muttergut, sagte Großmutter dann immer.
Der ruiniert sein ganzes Muttergut. Aber wer seine Freizeit damit verbrachte,
am neuen Verkehrskreisel sein Fahrrad aufzurichten, der hatte für anderes kaum
mehr Zeit.
    Endlich hatten die Hundebesitzer es geschafft, ihre Tiere zu trennen.
Resis Hund humpelte ein bisschen. Es sah nicht so aus, als wären die drei Hunde
zu einem motivierten Weitersuchen zu bewegen. Der Schorsch schrie ziemlich
hellsichtig etwas von »Schnapsidee«, und der Eicher Max schob den mangelnden
Sucherfolg auf den »Scheißköter« von der Langsdorferin. Resis Kopf leuchtete
hochrot, wie von einem »Pipgockl«, und ihr Hund sah aus, als sei bei ihm der
Testosteronspiegel stark abgesunken und sein Sexualtrieb gebrochen.
    Ich hatte mich gerade schweren Herzens dazu aufgerafft, endlich aus
dem Baum zu kommen, als ich unter mir Stimmen hörte. Vermutlich zwei
Nachzügler, die noch weniger Lust als ich verspürten, über einen Toten zu
stolpern. Ich blieb vorsichtshalber im Baumwipfel sitzen. Nichts ist
peinlicher, als ungeschickt aus einem Baum zu fallen, wenn man Zeugen hat. Und
hier hätte ich sogar zwei Zeugen.
    Â»Da bist jetzt g’scheit froh«, sagte eine Stimme unter mir. Ich sah
nach unten, dann aber schnell wieder in die Ferne. Es ist kein erfreulicher
Anblick, wenn zwei Männer ihre besten Stücke aus den Hosen ziehen, um an einen
Baum zu pinkeln. Stattdessen lauschte ich angewidert auf das Geräusch. Männer
sind Schweine. Wie kann man nur gegen einen Baum pinkeln? Der eine pinkelte
ganz ordentlich. Der andere hatte es anscheinend an der Prostata. Jedenfalls
brauchte er ziemlich lange.
    Â»Da bist jetzt froh, dass der alte Ernsdorfer weg ist.« Ich schielte
trotzdem nach unten, um mich zu vergewissern, dass das wirklich der Troidl war.
Tatsache. Er schien breit zu grinsen – jedenfalls klang seine Stimme so.
    Â»Halt du nur den Mund«, murrte der Kreiter missmutig und starrte an
den Baumstamm. Ich hob wieder ruckartig den Kopf, um nicht die ganzen ekeligen
Details zu sehen. Halt du nur den Mund? Was sollte denn das heißen? Sonst bist
du der Nächste, dem es an den Kragen geht?
    Â»Ich bin ned der Einzige«, stellte der Troidl klar, noch immer mit
einem breiten Grinsen. »Oder meinst, die Wild ist keine Gefahr?«
    Â»Ah, die Wild«, sagte der Kreiter mürrisch, als wäre ihm das gerade
erst eingefallen.
    Die Wild? Ich klammerte mich an den Baumwipfel und versuchte, keine
Geräusche zu machen. Hoffentlich konnte keiner mein Herz hören, das so laut in
meiner Brust rumste, dass mir die Ohren dröhnten.
    Â»Ja, die Wild«, sagte der Troidl, und es klang, als würde es ihm
jetzt so richtig Spaß machen. »Da musst ja direkt Angst haben, dass es morgen
in der Zeitung steht.«
    Zeitung? Ich drückte mich so fest gegen den Baumstamm, dass ich
vermutlich für immer und ewig das Muster der Rinde auf der Wange haben würde.
Was in der Zeitung? Konnten die nicht genauer werden? Ernsdorfer? Und ich? In
der Zeitung? War er vielleicht doch mein Vater?
    Â»Ich weiß gar nichts«, hätte ich am liebsten geschrien. Aber ich
hatte zu viel Angst, dass ich dann plötzlich verschwunden wäre. Oder dass ich
in die Hose machte.
    Â»Die Wild sagt nichts mehr«, sagte der Kreiter zuversichtlich und
mit einem komischen Unterton. Dann hörte man, wie sich ein

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