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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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gekommen
war? Den hatten sie dann im Knochenkistl versteckt. Man konnte ja nicht einmal
ausschließen, dass sie denjenigen umgebracht hatten, um ihn dann später
heiligenmäßig zu vermarkten. Langsam nahm das alles grässliche Dimensionen an!
    Â»Ich bin wieder da«, sagte ich und plumpste auf den Stuhl ihr
gegenüber.
    Großmutter sagte so etwas wie »Ja«, sah aber nicht auf. Sie ließ
sich schon wieder von dem blöden Astroenergiekegel bestrahlen und las nebenbei
in der Bibel.
    Â»Den Ernsdorfer hat keiner gefunden. Vielleicht hätte ich dich doch
mitnehmen sollen«, meinte ich, an meinen Hund gewandt.
    Großmutter sah mich immer noch nicht an, sondern hielt den Blick auf
die Bibel. »So ein Schmarrn. Ich hätt den auch ned g’funden«, antwortete sie.
Vor allem ohne Astrokegel.
    Â»Hm«, machte ich nur.
    Â»Wer ist denn mein Nächster?«, las sie mir vor. »Da antwortete Jesus
und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab gen Jericho und
fiel unter die Mörder; die zogen ihn aus und schlugen ihn und gingen davon und
ließen ihn halb tot liegen.«
    Â»Weißt du, was ich mich frage?«, sagte ich zu der Tischplatte und
schob mit dem Zeigefinger ein Brotbrösel hin und her. »Der Loisl. Der ist zwar
oft besoffen. Aber manchmal, da hat er echt Ahnung von was.« Das war jetzt zwar
ein richtiger Schmarrn, der aber vielleicht meine Großmutter ein wenig aus
ihrer Bibel-Lethargie riss.
    Sie sagte darauf: »Ein Samariter aber reiste und kam dahin; und da
er ihn sah, jammerte ihn sein, ging zu ihm, verband ihm seine Wunden.«
    Hm. Das konnte man von einem volltrunkenen Loisl jedenfalls nicht
erwarten.
    Â»Letztes Jahr zum Beispiel, da wusste er ja schon lang vorher, wer
der Mörder war. Oder?«
    Â»Der Loisl ist ein b’soffenes Waagscheitl«, erklärte sie mir und
legte dabei ihren rechten Zeigefinger auf die Stelle in der Bibel. »Und wir
können froh sein, wenn er nix kaputt macht.«
    Ich versuchte es andersherum. »Weißt du, früher, du weißt schon, als
der Loisl noch jünger war. War er da mit dem Troidl und dem Kreiter
befreundet?«
    Großmutter schüttelte leicht den Kopf. »Was interessiert dich der
Loisl?«, wollte sie wissen. »Der hat sich schon den ganzen Verstand
wegg’soffen. Genau wie sein Papa. Der Apfel fällt ned weit vom Stamm.«
    Â»Ist doch auch ein Christenmensch«, zitierte ich den Loisl.
    Â»Ja, und was für einer«, brummte Großmutter. »Ja, ja, die drei. Des
waren schon Spezln.«
    Sie runzelte die Stirn, als wäre ihr etwas eingefallen. »Frühers, da
ham s’ zu ihm allaweil Baamhackl-Loisl g’sagt. Derweil hatten früher alle Buben
Baamhackl.«
    Resigniert stützte ich mein Kinn auf die Hand. In der schlechten
Zeit, sagte meine Großmutter nämlich immer, da konnte man von Glück sagen, wenn
man Schuhe für den Winter hatte. Im Sommer, da gab’s sowieso keine Schuhe. Da
liefen alle Kinder barfuß. Und bekamen davon so grindige Fußsohlen, dass die
aussahen wie der Wüstenboden in der Sahara nach Jahren der Trockenheit. »Da hat
jeder sein Baamhackl g’habt. Nicht nur der Loisl.« Baamhackl, das waren nämlich
diese aufgerissenen Sohlen.
    Immerhin wusste ich jetzt, dass auch der Kreiter und der Troidl
aufgerissene Sohlen hatten. Und vielleicht sogar der Ernsdorfer. Aber richtig
weiter half mir das nicht.
    Â»Und, das weiß ich noch haargenau, da sind s’ immer zamgesteckt, die
drei.«
    Ich wachte wieder auf.
    Â»Ja?« Aha. Damals schon. Vermutlich von Kindesbeinen an mit derben
Streichen aufgefallen. Begierig beugte ich mich weiter vor, um jedes Detail
mitzubekommen. »Und, was haben die dann gemacht?«
    Â»Na ja«, sagte die Großmutter und runzelte wieder die Stirn. »Der
Papa vom Kreiter hat ja Küh g’habt. Und da waren sie dann zu dritt auf der
Weide. Besonders wenn’s kalt war.«
    Sie senkte erneut den Blick auf die Bibel. Und ich seufzte
enttäuscht. Die Fortsetzung dieser Geschichte kannte ich bereits. Man hatte
früher nämlich einen echten Vorteil, wenn die Eltern eine Kuh hatten. Da konnte
man sich über die Füße bieseln lassen, wenn man fror. Das tat dann gut, der
heiße Urin auf den kalten Füßen. Und die drei hatten sich anscheinend immer zu
dritt über die Beine bieseln lassen.
    Â»Der Baamhackl-Loisl, der hat aber noch lang

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