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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Reißverschluss
schloss. »Und den Ernsdorfer, den finden s’ nicht lebendig, des kannst
glauben.«
    Ich schluckte so laut, dass man es vermutlich noch am Kirchplatz
hören konnte. Man hörte noch einen Reißverschluss zugehen. Dann war ja alles
klar. Der Drohbriefschreiber konnte eigentlich nur der Kreiter sein. Auch wenn
ich mir nicht vorstellen konnte, wie der Schere und Klebstoff koordiniert
bekam.
    Â»Wennst meinst«, sagte der Troidl nur.
    Â»Den finden s’ wahrscheinlich gar nicht«, mutmaßte der Kreiter sehr
zufrieden.
    Â»Soll’s geben«, antwortete der Troidl. »Hat’s alles schon geben.« So
wie er klang, machte ihm das auch nichts weiter aus.
    Â»Aber ich lass mir nix nachsagen.« Der Kreiter drehte sich vom
Baumstamm weg. »Ich such, auch wenn wir den nie und nimmer finden.«
    Dann gingen sie weiter.
    Den Ernsdorfer, den finden die nicht mehr lebendig. Ich saß wie
erstarrt auf dem Baum und traute mich nicht mehr hinunter. Ich wollte nämlich
nicht die sein, die den toten Ernsdorfer fand. Und außerdem wusste ich nicht,
wie ich runterkommen sollte, ohne dass ich an der angebieselten Rinde
entlangrutschte. Pfui Teufel. Ich starrte den beiden nach, dachte daran, dass
die Wild »nichts mehr sagte«. Und wieso. Und warum ich selbst nichts davon
wusste.
    Was für eine gruselige Vorstellung. Dass ich gar nicht wusste, wieso
die anderen dachten, dass ich froh war.
    Ich blickte den zwei Männern hinterher, die stumm nebeneinander
hergingen und nicht gerade durch intensives Suchen auffielen. Mein Herzschlag
dröhnte mir immer noch in den Ohren. Am liebsten hätte ich Max auf dem Handy
angerufen und ihn gebeten, mich nach Hause zu eskortieren. Aber ich hatte ja
beschlossen, Max nicht mehr um Hilfe zu bitten, seitdem er bei mir ein
Aufmerksamkeitsdefizit diagnostiziert hatte.
    Nach einer Weile ließ ich mich einfach vom Baum fallen. Danach hatte
ich das Gefühl, als hätte ich in meinen Füßen ungefähr zwanzig Knochen mehr,
von denen jeder einzelne schmerzte. Vorsorglich humpelte ich der
Ausflugsgesellschaft hinterher, ohne die breit getrampelte Bahn zu verlassen.
    Ich würde jedenfalls nicht diejenige sein, die den Ernsdorfer fand.
Das war gewiss.
    Natürlich fand keiner der Ausflugsgesellschaft den Ernsdorfer,
weder tot noch lebendig. Und das, obwohl sich nach einiger Zeit sogar ein
Polizeihubschrauber zu uns gesellt hatte. Die Meinungen zu diesem Einsatz waren
geteilt. Die einen fanden, dass es beruhigend war, wenn Hubschrauber auch nach
einem Ernsdorfer suchten. Und die anderen rechneten nur herum, wer diesen
Einsatz wohl zahlen würde. Ich stolperte reichlich müde nach Hause. Meine
Gedanken kreisten immer noch um die Unterhaltung zwischen dem Troidl und dem
Kreiter. Besonders der Zusatz, dass es auch die Wild wüsste, machte mir zu
schaffen. Welche Wild? Meine Urgroßmutter war tot. Meine Mutter schon lange
nicht mehr hier. Blieben Großmutter und ich.
    Dass meine Großmutter Kontakt mit den zwei Männern gehabt haben
könnte, erschien mir fast unmöglich. Großmutter hatte hauptsächlich Kontakt mit
Frauen, die Rosenkränze beteten, unseren »Kirchenrutschn«. Den Kreiter hielt
sie für einen groben Klotz, und der Troidl war sowieso indiskutabel, nicht nur
wegen seines desolaten Schuhkastls. Seit ich vom Baum wieder unten war, dachte
ich intensiv darüber nach, was ich wissen könnte, aber ich wusste rein gar
nichts. Nichts, was den Kreiter und den Troidl mit dem Ernsdorfer verband.
Sosehr ich mir auch das Gehirn zermarterte, ich hatte wirklich keine Idee.
Eigentlich konnte ich auch gar nicht glauben, dass die beiden einen Drohbrief
geklebt hatten. Das mit der Maus schon eher. Aber der Kreiter mit Schere vor
einer Zeitung war einfach unglaublich.
    Ich hatte Herzklopfen, obwohl ich nicht besonders eilig nach Hause
gegangen war. Mein Hund sah nur kurz auf, als ich hereinkam. Er war bestimmt
wirklich beleidigt. Großmutter sah auch nur kurz auf, obwohl Beleidigtsein bei
ihr als Grund wohl kaum infrage kam.
    Irgendwie musste es doch möglich sein, aus Großmutter die nötigen
Details herauszukitzeln. Was hatte der Loisl mit dem Troidl und dem Kreiter zu
tun? Und was hatten die drei mit dem Ernsdorfer zu schaffen? Und vor allen
Dingen, waren sie zu einem Serienmord fähig? Vielleicht hatten sie schon vor
ein paar Jahren einmal jemanden umgebracht, der ihnen auf die Schliche

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