Und bitte für uns Sünder
Artikel über die Suche nach dem
Ernsdorfer in der Zeitung. GroÃmutter war ganz stolz auf mich und las mir den
Artikel vor, als hätte nicht ich ihn geschrieben, sondern irgendein unbekannter
Starjournalist.
»Seit Freitag, 21.30 Uhr, wird der fünfundachtzigjährige
Klaus Ernsdorfer vermisst. Herr Ernsdorfer, der demenz- und parkinsonkrank ist,
lebte bis jetzt im Kreise seiner Familie. Er ist bekleidet mit einem blau-grau
gestreiften Pyjama und einer grauen Strickweste. Vermutlich trägt er ein
schwarzes Basecap mit der roten Aufschrift âºFeuerwehrâ¹. Er hat grau melierte,
kurze Haare.«
»Und was soll ein Basecap sein?«, wollte GroÃmutter wissen.
»Ein Kappl halt«, erklärte ich ungehalten. GroÃmutter konnte es gar
nicht leiden, wenn ich solche Wörter in meinen Artikeln brachte.
»Bereits unmittelbar nach dem Eingang der Meldung
wurde von Polizei und Feuerwehr eine groÃe SuchmaÃnahme vor Ort eingeleitet.
Bei der Suche wurde auch ein Polizeihubschrauber mit Wärmebildkamera
eingesetzt, der aus München angefordert worden war. Die SuchmaÃnahmen werden am
heutigen Vormittag fortgesetzt. Das Polizeipräsidium bedankt sich herzlich bei
allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die die Suche bislang tatkräftig
unterstützt haben und auch im Verlauf des heutigen Tages eingesetzt werden. Da
die BRK-Rettungshundestaffel nicht zur Verfügung stand, hatten sich einige
Privatleute mit ihren Tieren an der Suche beteiligt. Trotzdem wurde Herr
Ernsdorfer bis zum heutigen Tag nicht gefunden.«
Besonders auf den Satz mit den Privatleuten und ihren Tieren war ich
sehr stolz. Und dass ich mich beherrscht und diesen tierischen Einsatz nicht
genauer beschrieben hatte.
»Und des hast du gâschrieben«, sagte GroÃmutter zufrieden. »Schad,
dass dâ ihn nicht gâfunden hast.«
Ja. Echt schade.
Aber wenn ich jetzt noch einen Artikel über das Leben und Wirken des
Ernsdorfers hinkriegen würde, das wäre erst toll. Vielleicht schaffte ich das
auch, ohne die Ernsdorfers zu befragen. Meistens wussten die Leute ja auch viel
mehr über andere Leute als über sich selbst. Und bei dem Artikel kam es auf ein
paar Tage hin oder her nicht »drauf zam«, wie der Kare ziemlich ätzend gesagt
hatte, da »machtâs des Kraut auch ned fett«, wenn die Lisa wieder so langsam
ist.
Vielleicht waren es nicht gerade die Topaufträge, bei denen man über
Leute, die sich in Luft aufgelöst hatten, schreiben durfte. Und es war bestimmt
auch nicht spannend, über die Vergangenheit des alten Ernsdorfers zu
recherchieren, aber immerhin. Es hatte nichts mit Kaninchenzucht zu tun, und
ich musste dazu auch nicht unbedingt zum Schmalzlwirt gehen. Ich hatte schon
beschlossen, mich mit dem Kare gutzustellen, um diese unleidigen Aufträge auf
ihn abzuwälzen.
Der Kare hatte nämlich den Vorteil, dass er ein Mann war, weswegen
er vom Schmalzl ein Bier hingestellt bekam und freiwillig mit Informationen
versorgt wurde. Ich stand dann immer nur verlegen in der verräucherten
Wirtsstube und bereute meine Berufswahl.
Ein Problem war natürlich, dass ich ein Problem mit der alten
Ernsdorferin hatte. Und eigentlich auch mit ihrem Sohn. Aber es gab ja noch die
Schwiegertochter und den ganz jungen Ernsdorfer, der ungefähr in meinem Alter
sein musste.
Ãber den Ernsdorfer zu recherchieren brachte auch Heimvorteile. Ich
konnte mit einem Interview mit meiner eigenen GroÃmutter anfangen und dann noch
die Kathl fragen, die Reisingerin und im Notfall auch noch die Rosl. Auch wenn
dann mein Bedarf an Ave-Marias für die nächsten Wochen reichlich abgedeckt sein
dürfte.
»Dass die den Ernsdorfer nicht finden«, sprach ich in die Küche
hinein, wo GroÃmutter vor sich hin werkelte. Vorsichtshalber schaltete ich den
Herd niedriger, auf dem ein Rindssupperl schon seit Stunden brodelte. Als
GroÃmutter nicht antwortete, fügte ich noch hinzu: »Das kann doch nicht sein.
Dass einer einfach verschwindet.«
»Die Nächste, die verschwindet, bin ich«, sagte GroÃmutter, als ich
mich an den Küchentisch setzte, um meine Tasse Kaffee auszutrinken. Wie um die
Drohung wahr zu machen, verschwand sie in der Speisekammer. »Wer weië, hörte
man ihre Stimme dumpf. »Wer des macht.«
Immerhin war der Loisl noch ganz ruhig. Obwohl er gerne an sein
eigenes Verschwinden glaubte und zumindest im Winter
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