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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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g’scheit gehen können«, erklärte mir
die Kreszenz so nah an meinem Ohr, dass ich beinahe quietschte. Blöde Kreszenz.
Aber immerhin hatte sie im Sonntagsgottesdienst nichts selbst Eingemachtes
dabei. »Und die Ernsdorferin hat ihn einfach nimmer halten können. Der war ja
groß und schwer. Da hätt ja jedes Mal der junge Ernsdorfer mitkommen müssen.«
    Â»Beim letzten Pfarrfest, ist er da ned hing’falln?«, fragte die
Rosl.
    Â»War des ned des vorletzte Pfarrfest?«, fragte die Kreszenz. »Der
war doch schon vor drei Jahren so schlecht beieinander.«
    Die Rosl zuckte nur mit den Schultern.
    Â»Mei. Aber direkt aufs G’sicht is er g’fallen. Dann war die Brille
natürlich hin.«
    Â»Jetzt ist er ja ohne Brille davon«, sagte die Kreszenz zufrieden.
    Die blöde Kreszenz. Von vorne nett wie sonst was, aber hinten
herumstänkern, dass sich alle schlecht fühlen.
    Â»Wie, die haben ihm jahrelang keine neue Brille besorgt?«, fragte
ich fassungslos. »Und jetzt irrt er blind durch die Gegend?« Kein Wunder, dass
er nicht heimfand.
    Â»Ach, Schmarrn. Die werden ihm doch eine neue Brille gekauft haben«,
sagte die Rosl. »Des kann ma doch ned machen.«
    Tja. Vielleicht ja schon. So unkooperativ, wie die beiden
Ernsdorfers bei meinem Interview gewesen waren, wollte ich lieber nicht darüber
nachdenken, ob sie ihm eine Brille gekauft hatten oder nicht. Wahrscheinlich
hatten sie damals nur nicht gewollt, dass ich sehe, dass sie den armen alten
Mann ohne Brille herumtapern ließen.
    Â»Und ihr habt ihn schon ein Jahr lang nicht mehr gesehen?«
Vielleicht, weil sie ihm keine Brille gekauft hatten.
    Â»Ach Schmarrn. Beim Metzger. War er nicht neulich mit beim Metzger?
Im Auto hat er g’wartet, weil er des mit den Stufen nimmer kann.«
    Aber ob er eine Brille trug, hatte wieder keiner sehen können. Am
Tag seines Verschwindens hatte ihn jedenfalls keiner mehr gesehen, was auch
kein Wunder war, schließlich hatte er sich bei Nacht und Nebel verdrückt.
    Ich hatte keine Lust mehr, mir über Ernsdorfers den Kopf zu
zerbrechen.
    Â»Wir könnten auch auf der anderen Seite rausgehen«, schlug ich vor,
da mir wirklich schon der Magen knurrte.
    Â»Ah, geh, Mädl«, war die Antwort. Na ja, ich wollte ihn auch von
ganz nah sehen.
    Endlich war auch ich an der Reihe, und leider hatte der Rosenmüller
noch immer seine Kutte an. Da konnte man nicht einmal erahnen, ob er ein rosa
Glitzertop daruntertrug. Besonders nach Resis Aussage über seine Unterwäsche
hatte ich mir schon ein bisschen mehr erwartet.
    Â»Und das ist unsere Lisa«, sagte vor mir die Rosl, als sie beim
Rosenmüller angekommen war. »Sie wissen schon, die, die die Knochen gefunden
hat.«
    Ich wurde schlagartig knallrot. Die dumme Kuh. Was musste sie das
jetzt gleich weitertratschen.
    Â»Fräulein Wild.« Der Rosenmüller strahlte mich begeistert an.
»Schön, Sie einmal persönlich kennenzulernen.«
    Â»Letztes Jahr hat’s auch ein paar Leichen g’funden«, trompetete die
Kreszenz neben mir. Plötzlich schien der Bann gebrochen. Während sich vor mir
alle schweigend an dem neuen Pastoralreferenten vorbeigeschoben und ihm
widerwillig die Hand geschüttelt hatten, schien jetzt jeder begeistert davon zu
sein, ihm von mir zu erzählen.
    Â»Weil’s halt kein Vatter ned hat«, erläuterte die Kreszenz gerade
das ganze Dilemma.
    Wie bitte? Was hätte denn mein Vater dagegen unternehmen sollen? Ich
merkte, wie mein Adrenalinspiegel stieg.
    Â»Redets doch kein solchen Schmarrn«, erklärte Großmutter resolut. »Wenn’s
ned so viel elektrischen Krampf kaufen würde, wär’s so wie alle anderen Mädln
auch.«
    Elektrischen Krampf? Ich kaufte elektrischen Krampf? Meine
Großmutter war wirklich total verrückt. Die einzigen Geräte, die ich besaß,
waren mein Laptop und die Espressomaschine. Letztere benutzte fast
ausschließlich meine Großmutter. Bevor ich dem Rosenmüller die Hand reichen
konnte, schnappte Großmutter sie mir weg. »Sie sollten nicht jeden g’spinnerten
Krampf glauben, den irgendwer erzählt«, riet sie ihm und schüttelte ihm dabei
heftig die Hand. »Manchen Leut ist nämlich geradezu ins Hirn reing’schissen.«
    Wenn ich nicht schon knallrot gewesen wäre, wäre ich es jetzt
geworden. Die Kreszenz und die Rosl zischelten furchtbar

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