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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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etwas wie der Loisl. Der seine Arbeit
nicht tat, zu betrunken war, nach Hause zu finden, und deswegen routinemäßig in
Straßengräben übernachtete. Früher war das die typische Drohung, um mich zum
Lernen zu motivieren. Wenn man nämlich keinen Schulabschluss schaffte, dann
hatte man keine Berufschancen. Außer natürlich die des Straßengrabenliegens.
Das konnte man auch ohne Abschluss, wenn man sich ein wenig Mühe gab. Meine
Großmutter würde dann auf gar keinen Fall stehen bleiben, um mit mir Kontakt
aufzunehmen. Ihre einzige Enkelin. Eine Straßengrabenliegerin.
    Das hatte noch immer gewirkt, um mich zum Lateinvokabelpauken zu
bewegen. Sobald man nämlich den »Gallischen Krieg« übersetzen konnte, fiel man
ganz automatisch nicht in einen Straßengraben.
    Â»Ah. Geh. Mädl«, widersprach Großmutter und warf noch einen letzten
Blick auf meine überdimensionale »Wellnesshose«. »Der Ernsdorfer doch ned.«
    Der Ernsdorfer hatte nämlich einen Schulabschluss.
    Â»Na ja. Wenn er doch Alzheimer hat.« Vielleicht hatte er dann
einiges vergessen. Zum Beispiel, dass er für Straßengräben überqualifiziert
war.
    Großmutter drehte sich einfach um und ging in die Küche. Ich fühlte
mich plötzlich sehr, sehr müde und merkte, dass ich überhaupt nicht mehr
hyperventilierte und auch keine Angst mehr hatte. Solange Großmutter, die
Reisingerin und der Loisl noch wach waren, konnte ich mich beruhigt niederlegen.

Kapitel 5
    Wir feierten schon wieder einen gut besuchten Gottesdienst. Der
neue Pastoralreferent war diesmal die Sensation, und es saßen sogar Leute in
den Kirchenbänken, die man sonst um die Uhrzeit nur beim Schmalzlwirt oder auf
dem Fußballfeld antraf. Großmutter schaute die ganze Zeit unglaublich zufrieden
drein. Ich hingegen war ein bisschen enttäuscht. Der Rosenmüller sah so was von
normal aus, das war schon nicht mehr schön.
    Großmutters Miene verfinsterte sich erst, als wir nach dem Gottesdienst
nach draußen wollten und nichts voranging.
    Â»Was ham s’ denn heut?«, schimpfte sie vor sich hin. »Des dauert
doch sonst ned so lang mit dem Weihwasser. Ein paar Spritzer reichen doch.«
    Â»Na ja. Aber wenn du schon ewig nicht mehr in der Kirche warst, ist es
vermutlich besser, du brauchst ein bisserl länger«, schlug ich vor und
versuchte zu erkennen, weshalb es sich so staute.
    Die Rosl drehte sich um und sagte: »Er schüttelt jedem die Hand.«
    Â»Wer? Der Rosenmüller?« Großmutter schnalzte mit der Zunge. »Des ist
ja wie bei den Lutherischen.«
    Â»Ehrlich?« Fasziniert starrte ich nach vorne. »Da schüttelt der
Pfarrer jedem die Hand?«
    Â»Der Pastor«, erklärte Großmutter. »Bei dene Lutherischen da geht
doch sowieso keiner in die Kirch. Den drei Hansln kann er leicht die Hand
schütteln. Aber bei uns, da verhungerst ja, bis d’ aus der Kirch draußen bist.«
    Es ging plötzlich keinen Millimeter weiter, und ich ärgerte mich ein
bisschen, dass ich nicht besser aufgepasst hatte. Ich stand eingekeilt zwischen
der Rosl, der Langsdorferin und ausgerechnet der Kreszenz. Bei der Kreszenz
muss man wissen, dass sie so irrsinnig freundlich ist, dass einem richtig
schlecht werden kann. Und wenn man nicht aufpasst, dann schenkt sie einem
selbst eingemachte Mirabellen, die aussehen, als wären sie von der
Jahrhundertwende, oder irgendetwas, was Satanisten für ihre Teufelskulte
verwenden könnten.
    Ich nutzte die Zeit, um eine kleine Befragung durchzuführen.
    Â»Der arme Ernsdorfer«, warf ich beiläufig in den Raum. »Ob sie den
noch mal finden?«
    Â»Lebendig nimmer«, sagte die Langsdorferin hinter mir und rammte mir
das Gehwagerl in die Kniekehlen. »Ohne seine Medikamente ist der doch innerhalb
von vierundzwanzig Stunden tot.«
    Â»Ah, geh«, erwiderte die Großmutter tadelnd, »der hält scho länger
durch.«
    Vielleicht fanden sie ihn ja in ein paar Jahren als wilden
Einsiedler wieder. »Ich habe ihn schon ewig nimmer gesehen«, sagte ich, in der
Hoffnung, dass mir alle bereitwillig sagen würden, wann sie ihn zum letzten Mal
gesehen hatten. Wenn dann zum Beispiel die Rosl gesagt hätte, ja klar, letzten
Dienstag, da hab ich ihn hinter dem Haus vom Langsdorfer rumheizen sehen, dann
hätte man dort noch einmal genauer suchen können.
    Â»Ja, der hat schon lang nimmer

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