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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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ritualisierten Balzbewegungen von Haubentauchern.
    Anneliese hatte sozusagen mit dem Tschilpen aufgehört, nachdem sie
mir ausführlich erklärt hatte, wie oft man Sex haben durfte, um ein Kind zu
kriegen. Anscheinend war es ganz wichtig, dass man nicht zu oft Sex hatte. Das
war doch mal eine gute Nachricht. Wenn ich mit Max jeden Tag zweimal Sex hatte,
konnte praktisch nichts mehr schiefgehen. Die perfekte Verhütung. Diesen
Gedanken behielt ich aber lieber für mich und genoss die tschilpende Stille und
den Geruch des Kaffees, der aus unseren Bechern aufstieg.
    Großmutter ging gerade zu unserem Postkasten und klimperte mit
dem Schlüssel. Seit ich den Drohbrief bekommen hatte, versuchte ich das
Briefkastenleeren zu vermeiden. Und Großmutter dachte manchmal erst am
Nachmittag dran, zum Postkasten zu gehen. Erstaunlicherweise sagte sie nichts
zu meinem müßigen Herumgesitze, sondern nahm Stück für Stück die Post heraus.
Mein Herzschlag wurde ein wenig unruhig, und ich versuchte, Großmutter nicht zu
beobachten. Nicht noch ein anonymer Brief, bat ich Gottvater und versprach,
nett zu Anneliese zu sein und ihr ganz intensiv bei ihren Sexfragen zur Seite
zu stehen. Mein Herz machte noch einen letzten Rumpler, alles nur Werbung, dann
schlug es froh gelaunt weiter.
    Entspannt lehnte ich mich zurück. Kein weiterer Drohbrief. Wenn das
mal keine gute Nachricht war. Mit meinen Ermittlungen war ich nämlich bis jetzt
nicht besonders weit gekommen: Ich hatte die Schrifttypen mit unserer Zeitung
verglichen und mit der ADAC Motorwelt, die ich beim
Kare hatte mitgehen lassen. Daraus waren die Buchstaben jedenfalls nicht
ausgeschnitten. Zugegeben, ich hatte ein wenig den Mut verloren, es gab ja so
viele Zeitungen. Da konnte ich ja bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag suchen und fand
nichts.
    Deswegen redete ich mir lieber ein, dass der Drohbrief einfach nur
Unsinn war und ich gar nichts zu befürchten hatte.
    Unser Mirabellenbaum hatte sich seinen weißen Blütenschleier
umgelegt. Der Kaiser Wilhelm, wie meine Großmutter immer sagte, war total
verschnitten und hatte noch keine Blüten. Kein Wunder. Wenn ihn der Seff jedes
Jahr verschneidet.
    Â»Und, was ist mit dem Max?«, fragte Anneliese schläfrig nach. »Bist
jetzt bei seinen Eltern eingeladen?«
    Â»Die wohnen doch so weit weg«, wich ich aus. »So lang kann ich doch
gar nicht fort von hier.«
    Dass die Mutter von Max gerade bei Tante Vega war, verschwieg ich
lieber. Es war wirklich ein Glücksfall, dass Max von weit, weit weg stammte.
    Â»Aber bevor ihr heiraten wollts, musst die schon einmal anschauen.«
    Plötzlich konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich musste die
zweite Leberkässemmel möglichst schnell in mich reinstopfen. Und das, wo ich
mir eine zivilisierte Essweise angewöhnen wollte.
    Â»So ein Schmarrn«, sagte ich mit vollem Mund, kein Mensch hatte bis
jetzt auch nur irgendetwas von Heiraten gesagt.
    Â»Natürlich. Man kann doch nicht heiraten, ohne die Schwiegerleut zu
kennen.«
    Ich sagte dazu nichts, denn schließlich hatte ich dem lieben Gott
gerade versprochen, nett zu Anneliese zu sein. Wir versanken wieder in ein
schläfriges Schweigen. Die Luft war klar nach dem letzten Regenguss, die
Gänseblümchen reckten ihre blank geputzten Gesichtchen in die Sonne, und die
lila Traubenhyazinthen wirkten, als hätte ihnen die Bärbel eine Dauerwelle
verpasst. Der Rhabarber hatte seine dunkelgrünen Blätter wie ein Gebirge
aufgetürmt, sehr zu meinem Ärger, weil Großmutter bestimmt sagen würde, hol was
rein, das können wir nicht verkommen lassen. Über mir ließ eine Kohlmeise ein
klares Dingdang hören, anscheinend der Meinung, der Gesang würde der
Auserwählten den schlechten Zustand unseres Nistkastens verhüllen.
    Ein duftiger Schleier von Ehrenpreisblüten schwebte über dem satten
Grün unseres Rasens. Die Forsythie leuchtete gelb und war von mir so verschnitten
worden wie der Kaiser Wilhelm vom Seff. Wieso Großmutter nie sagte, jetzt
reicht’s aber langsam, sondern immer nur nickte, wenn der alte Seff sagte, des
g’hört g’scheit z’rückg’schnitten, wusste ich nicht.
    Das war der Frühling. Es gab noch keine Schatten, sondern nur bunte
Blumen und Frühlingsputzgefühle. Vielleicht gab’s auch ein paar gehässige
Blicke, wer wieder dicker geworden war. Und unsere verrostete alte

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