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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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gemacht?«, keifte sie mich an.
    Ich zuckte ratlos mit den Schultern. Vielleicht war Journalistin
nicht gerade der Beruf, für den ich geeignet war. Man durfte sich von
geifernden Ernsdorferinnen einfach nicht einschüchtern lassen.
    Â»Die Terrassentür!«, brüllte sie. »Die Terrassentür hat er
aufg’macht. Und dann war er weg!«
    Ich nickte. Die Ernsdorferin hatte inzwischen einen purpurroten Kopf
bekommen. Ich fragte mich, ob ich zur Rechenschaft gezogen werden konnte, wenn
sie jetzt hier im Hof einen Schlaganfall bekam.
    Â»Und nur weil wir einmal nicht daheim waren. Allaweil waren wir
daheim. Allaweil haben wir aufgepasst! Und des einzige Mal, wo wir weg waren …«
Sie vervollständigte den Satz nicht. »Und, was hätt i da machen sollen? Wir
haben alles gemacht, was menschenmöglich war!«
    Jetzt traf mich einer der Spucketropfen, und ich wich einen kleinen
Schritt nach hinten aus. Vielleicht sollte ich umschulen. Auf
Straßengrabenlieger. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass sich langsam alle
dünnemachten, bis ich schließlich allein mit den Ernsdorfers auf dem Hof stand
und mich fragte, ob sie auch bereit waren, gewalttätig zu werden.
    Â»Ihr habts ja alle keine Ahnung ned!«, brüllte sie weiter.
    Reiß dich zusammen, sagte ich mir. Du bist Journalistin, und du
wirst jetzt die Fragen stellen, die zu stellen sind.
    Â»Ja«, sagte ich beruhigend. »Unsere Leser interessiert das Leben
unseres ehemaligen Bürgermeisters aber trotzdem.« Hach, war ich jetzt
geschickt. Und sein Verschwinden vor allen Dingen.
    Die beiden sagten nichts mehr. Jetzt. Meine Chance. Irgendetwas
Banales, was aber bei den Lesern gut ankommen würde. Das Einzige, was er
mitgenommen hatte, war der selbst gestrickte Schal, den er letztes Weihnachten
bekommen hatte.
    Â»Was hatte er denn für Schuhe an?«, fragte ich.
    Für einen sehr langen Moment sagte keiner der beiden etwas. Der
Ernsdorfer sah seine Mutter an, sie starrte mich an. Was war an der Frage jetzt
komisch? Schließlich litten die Leser umso mehr mit, je mehr Details sie
wussten. In den karierten Hausschuhen allein durch den Wald oder so. Wäre ein
guter Titel gewesen.
    Â»Das lass ich mir ned länger gefallen!«, kreischte sie mich so
plötzlich an, dass ich vor Schreck gleich zwei Schritte rückwärtstaumelte. »Nix
sag ich mehr, ihr Hyänen, ihr greißlichen!«
    Der Ernsdorfer packte seine Mutter am Arm und zog sie von mir weg.
Hyänen? War der arme Ernsdorfer etwa in Strümpfen abgehauen? Die zwei verschwanden
im Haus, während ich ratlos im Hof stehen blieb. Wegen der Schuhe hätte sie nun
wirklich nicht so auszuflippen brauchen. Oder hatte er gar keine Schuhe
angehabt?
    Ich musste an mein letztes Interview denken. An das Pornoheftl. Und
die riesigen Brüste. Das rote Plüschsofa. Irgendetwas war seltsam.

Kapitel 7
    Als ich mittags komplett entkräftet nach Hause kam, saß
Anneliese schon auf unserem Bankerl im Vorgarten. Sie hatte die Kinder ihrer
Schwiegermutter aufs Auge gedrückt, um mit mir ein ernstes Gespräch im
Vorgarten zu führen. Ich hatte dazu zwar keine Lust, aber alles war besser, als
über die empfindlichen Ernsdorfers nachzudenken. Oder den bescheuerten Artikel,
den ich daraus zusammenfabulieren musste.
    So saß ich mit ihr unter unserem Apfelbaum im lichtgrünen Schatten
und lauschte den Vögeln, während ich langsam Bissen für Bissen eine meiner
beiden Leberkässemmeln aß.
    Wie ähnlich doch Tier und Mensch. Tschilp, tschilp, tschilp, sagte
der Spatz über mir. Wie die Resi. Blahblahblah. Ewig das Gleiche, auch wenn der
Spatz genau wie die Resi bestimmt davon überzeugt war, bei jedem Blah-Tschilp
etwas Neues zu sagen.
    Dann gab es die, die wenigstens noch einen Schnörkel zum
Ewiggleichen pfiffen. Das waren die Buchfinkleute. So war meine Großmutter. Ein
Bibelzitat. Noch ein Bibelzitat. Und dann kam ganz etwas anderes. Dann gab es
die, die nicht alles mit dem Gesang ausdrückten, sondern mit dem Körper. Die
Bachstelzen, die wippten zum Beispiel immer. So machte das manchmal der
Schmalzlwirt. Vielleicht hatte er sich das auch vom Franz Josef abgeguckt.
    Oder die alte Ernsdorferin. Die fuhr sich immer auf eine bestimmte
Art und Weise durch das Haar. Erst mit beiden Händen die Haare nach hinten,
dann mit einer schnellen Bewegung wieder alles nach vorne. Dann sah es wieder
aus wie vorher. Wie die

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