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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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kicherte wieder. »Du kannst doch ned in ein
Metallregal deine Hemden reinlegen.«
    Wenn ich wie die Resi unter komischer Speiberei leiden würde, würde
ich mich nicht über Metallregale aufregen.
    Â»Mei, da fällt der Staub gut durch«, sagte ich nur.
    Â»So ein Krampf«, antwortete sie böse. »In einem Schrank ist alles
schön aufgeräumt.«
    Ich verdrehte nur gehörig die Augen.
    Â»Aber wie sich der schon anzieht. Das letzte Mal hat er ein rosa T -Shirt ang’habt. Wie ein Weibsbild. Stell dir des amal
vor. Ein rosa T -Shirt. Ganz eng. Und so Klapperln.«
    Klapperln waren Sandalen. Wieso sollte der arme Kerl keine Sandalen
tragen? Da fand ich die Sandalen vom Metzger mit den Wollsocken drunter
bemerkenswerter. Oder das Gucci-Handtäschchen vom Ernsdorfer.
    Â»Ich muss jetzt arbeiten«, sagte ich ziemlich unhöflich und ging
direkt auf den Ernsdorfer zu, während die Resi hinter mir noch weiter über die
»Klapperln« redete, als würde ich ihr zuhören.
    Der Ernsdorfer sah mich an, als hätte ich vor, sein Handtäschchen in
meinem Artikel zu erwähnen. Ich würde kein Wort darüber verlieren. Ehrlich
nicht. Er brauchte mich gar nicht so anzusehen. Bis ich meine Gesichtszüge
wieder unter Kontrolle hatte, dauerte es aber trotzdem noch ein bisschen.
    Â»Ihr Vater«, brachte ich schließlich hervor. »Wir wollen einen
Bericht über ihn bringen.« Das Einzige, was mir noch einfiel, war das Gleichnis
vom verlorenen Sohn. Das war total unpassend, ging mir aber nicht aus dem Kopf,
obwohl ich schon immer eine extreme Abneigung gegen Gleichnisse gehabt hatte.
Und woran das lag? Weil ich mit Gleichnissen überschüttet wurde. Was andere an
Cola in sich reinlaufen ließen, das hatte ich an Gleichnissen in mich
eingesaugt. Und das führte dann dazu, dass man blockiert war, hin und wieder.
Wie jetzt.
    Der Ernsdorfer sah mich an, als wäre ich verrückt. In Wirklichkeit
war ich nur töricht und hatte mich nicht gut vorbereitet. Sonst hätte mich
jetzt nicht so ein bescheuertes Gucci-Handtäschchen derart aus der Bahn
geworfen.
    Â»Seit wann vermissen Sie Ihren Vater?«, fragte ich nach. Das war
eine bescheuerte Frage. Denn das hatte schon längst in der Zeitung gestanden.
    Der Ernsdorfer sah mich auch so an, als wäre das eine bescheuerte
Frage.
    Â»Meinen Vater«, sagte er auf Hochdeutsch. »Meinen Vater gibt es
schon lange nicht mehr.«
    Hm.
    Â»Er wurde immer mehr zu einer Hülle seiner selbst. Jemand, den man
nur meint zu kennen.«
    Mir blieb der Mund offen stehen. Was der Ernsdorfer für
Formulierungen benutzte, die waren ihm doch bestimmt nicht spontan eingefallen.
Bestimmt hatte er das vor dem Spiegel geübt, damit er den Journalisten, die
vorbeikamen, einen Vortrag über Alzheimer halten konnte. Und jetzt kam nur ich,
und er musste seine Wahnsinnssätze an mich vergeuden. Bevor ich das alles
wieder vergessen konnte, kritzelte ich eilig mit.
    Â»Er war ein Fremder in einem bekannten Körper. Eine vertraute Stimme
mit unbekannten Worten.«
    Ich sah, dass der Kreiter ziemlich ratlos wirkte.
    Â»Hat er vielleicht vergessen, seine Tabletten zu nehmen?«, fragte
ich und wollte schon weiterschreiben. Diese Frage hatte er aber offensichtlich
nicht auswendig gelernt, denn es gab plötzlich eine unheimliche Stille. Ich sah
auf. Außerdem war es wohl die falsche Frage gewesen, denn der Ernsdorfer lief
rot an. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass auch die alte
Ernsdorferin über den Hof geschossen kam, mit einer gleichfalls ungesunden
Gesichtsfarbe.
    Â»Sie fragt«, sagte der Ernsdorfer böse, »ob er seine Tabletten
gekriegt hat.«
    Moment! So hatte ich das nicht gesagt.
    Â»Wir haben uns immer anständig um ihn gekümmert«, keifte die
Ernsdorferin wütend. »Die Tabletten in der Früh hat er ’kriegt, jeden Tag um
siebene in der Früh. Richtig reinschummeln hat ma’s ihm müssen ins Essen!«
    Im Gegenlicht sah man die Spucketröpfchen fliegen, und es kam mir
fast so vor, als würden sie Funken sprühen, so zornig war die Ernsdorferin.
    Â»Ins Müsli rein, da hast immer kontrollieren müssen!«, fauchte sie
mich an. »Jeden Tag. Und jeden Abend, des kannst glauben.«
    Ich nickte beruhigend.
    Â»Die Haustür war abg’sperrt!«, giftete sie weiter.
    Â»Zweimal«, bestätigte der Ernsdorfer.
    Â»Und, was hat er

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