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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minka Pradelski
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im Fallen locker und bequem hin und landete tatsächlich auf der rechten Seite. Er hatte noch nicht mal eine Verletzung am Kopf, er brach sich lediglich ein Bein, kein komplizierter Bruch, Dr. Goldstaub gipste ihn ein, und nach fünf Wochen war das Bein ausgeheilt. Aber Kotek überlegte noch viele Jahre lang immer wieder, ob der Sturz nicht doch ein Traum gewesen sein könnte.

Elf Monate
    Ganze elf Monate sind nach der Ankunft der Kanners den Bendzinern verblieben. Denn mit den Zügen aus Zbaszyn kam das Böse aus Deutschland immer näher zu uns. Das Städtchen Czeladz war etwa 4 Kilometer von Bendzin entfernt. Dort forderte der Rabbiner seine Gemeinde auf, die Zbaszyner Flüchtlinge zu unterstützen und ihre Not zu lindern. Weil die Armut in Czeladz so groß war und die Leute aus Czeladz den Flüchtlingen nichts geben konnten, hat der Rabbiner das strikte Gebot des heiligen Ruhetags am Schabbat aufgehoben. Die Czeladzer sollten am Schabbat arbeiten und mit dem Erlös ihrer Samstagsarbeit die Flüchtlinge vor der bittersten Not bewahren. Von den Leuten aus Czeladz ahnte niemand, dass ihnen Ähnliches bevorstand und dass in weniger als einem Jahr der Hitler auch ihr Leben zerstören würde.
    Die verbliebenen elf Monate sind so furchtbar schnell vergangen, viel schneller als alle Jahre zuvor. Das Leben in Bendzin ist weitergegangen, der Isrul hat endlich eine willige Braut gefunden, das schielende Nachele, die sechzehnjährige Schwester des Tscholentbäckers Jonas.
    Siebeneinhalb Monate und achtundvierzig Stunden vor dem Einmarsch gelang es Rywka Scheina, nach dem dritten missglückten Versuch, das Rätsel um die Zutaten des Donnerstagskäsekuchens zu erraten. Noch am selben Abend begann der Gabbe das Brautgeld für die jüngste Schmelewertochter einzusammeln.
    Ein halbes Jahr vor dem Einmarsch erlag der Großhändler Dattelstrauch einem Magendurchbruch, nur ein paar Tage nachdem seine junge Frau ihn verlassen hatte. Man munkelte, irgendjemand habe sie am Arm von Professor Rado am Lodzer Bahnhof gesehen. Der Teitelbaum reiste nun nicht mehr nach Katowice, denn er hatte nur wenige Mäntel verkauft. Die Bauern haben mit einem Mal seinen Laden gemieden.
    Vom Altersgeiz befallen, erhöhte der Rabinowicz sechs Monate vor dem Einmarsch die Leihgebühr für das letzte Buch aus Warschau. Einige Schüler ließen sich aus Protest nicht mehr bei ihm blicken und haben zur großen Freude des Direktors von nun an die Schulbibliothek frequentiert.
    Drei Monate vor dem Einmarsch waren Kotek, Mietek, Gonna, die Polin und ich eifrigst dabei, uns auf die anstehende Reifeprüfung vorzubereiten. Während des Schulunterrichts haben sich die Jüngeren wie gewohnt zum Schwänzen am Fluss getroffen. Von uns, den Älteren, war keiner mehr dabei. Wenn es nach diesen elf Monaten noch mal elf Monate in Freiheit gegeben hätte, dann hätten auch unsere jüngsten Schüler das Schwänzen am Fluss erlernt. Es gab aber kein weiteres Schuljahr mehr, denn nach dem Einmarsch hat es unsere Schule nicht mehr gegeben.
    Im gleichen Jahr, in dem die Schule geschlossen wurde, fand noch eine skandalumwitterte Hochzeit statt. Im letzten Schuljahr hat Koteks Pokerfreund, der lange Meyer, sein Abitur bestanden. Kein gutes zwar, aber in Latein hat er eine sehr gute Note bekommen, weil er der Lateinlehrerin Fanny Sternenlicht imponieren wollte. Seine Lehrerin befand, dass er jetzt nach dem bestandenen Abitur reif genug für die Ehe mit ihr sei. Auch der lange Meyer habe nicht länger warten wollen, und so haben die beiden, ein paar Tage vor dem Einmarsch, zur Schande von Meyers Eltern geheiratet. Drei Tage später waren die Deutschen bei uns. Für unsere Schüler gab es keinen Unterricht mehr. Sie haben uns das Lernen verboten, es stand schwarz auf weiß in den neuen Verordnungen, die an allen Hauswänden angeschlagen waren. Wer beim Lernen erwischt wurde, dem drohte die Todesstrafe.
    Unser kleines Königreich war zu einem Sammelplatz für konfiszierte Güter geworden. So nannte man den Diebstahl unserer Pelzmäntel, Kleidung, Radios, Fahrräder und Hüte. In unseren Klassenzimmern wurden die Waren aussortiert, und was gut, schön und nützlich war, das wurde nach Deutschland geschickt. Der Adam hat sich noch darüber mokiert, dass nun Deutsche die Kleider tragen, die wir zuvor am Leib gehabt hatten. Er verstehe die Anordnung der Regierung in Berlin nicht, wo man doch als Rassenschänder ins Gefängnis komme, wenn man auch nur einen einzigen nackten jüdischen

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