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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minka Pradelski
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jemand gesagt hätte, dass unser kleines Königreich eines Tages von den Deutschen besetzt werden würde und wir unsere Schule nicht mehr betreten dürften, hätten wir ihn schallend ausgelacht. Aber sogar als wir noch ganz klein waren, kündigten sich die Vorboten der Katastrophe schon an. Es war mitten im fünften Schuljahr. An einem gewöhnlichen Freitagmorgen hatte Fettauge heimlich, hinter dem Rücken seines Vaters, Stimmzettel in die Schule mitgebracht. Sie waren für eine große Veranstaltung gedacht, die am Nachmittag in Romek Zieglers hochherrschaftlicher Wohnung stattfinden sollte. Mein Vater hatte sich für dieses bedeutende Treffen extra freigenommen und reiste mit dem Zug von Zawiercie ein paar Kilometer weiter nach Bendzin. Ich holte ihn vom Zug ab und weihte ihn in ein großes Geheimnis ein, das Fettauge Adam und mir am Morgen anvertraut hatte. Vater lachte, als er hörte, der hitzköpfige Romek Ziegler habe vor, sein bestes Jackett, angefertigt im berühmten Berliner Maßatelier Dilling, vor den Augen aller Gäste im Küchenherd zu verbrennen, nur um die Herren der Versammlung so richtig in Stimmung zu bringen. Fettauge war an große Auftritte seines Vaters gewöhnt. Meist, sagte er, gehe es laut her, und alle redeten durcheinander. Mit einem Mal werde es ruhig, die Herren stimmten ab. Und wenn der Vater mit dem Abzählen der erhobenen Hände zu einem Ende gekommen sei, wollten einige mit dem lauten Klatschen gar nicht aufhören, während andere wütend das Zimmer verließen und grummelnd nach Hause gingen.
    An diesem Freitagnachmittag haben sich etwa zwanzig fein gekleidete Herren in Romek Zieglers vornehmem Wohnzimmer versammelt. Die Wahl sollte diesmal eine ganz andere sein, eine mit Stimmzetteln, wahrhaftig und geheim, damit es sich niemand während des Abstimmens noch einmal überlegte und mit der Hand nach unten ginge, bloß weil der große Abraham Fürstenberg, von dem man sich gerade einen Kredit genommen hatte, die Hand noch unschlüssig auf dem Schoße hielt. Der Vater betonte Fettauge gegenüber, wie wichtig es ihm sei, dass diesmal alle mit einem Ja abstimmten. Fettauge blieb am Abend auf, um dem Vater beim Ausschneiden der Wahlzettel zu helfen. Die Stimmzettel wurden fein säuberlich aus Fettauges Karopapier geschnitten. Fettauge sollte sie mit einem schönen Ja und einem Nein beschriften, wobei er das Nein, das der Vater nicht wollte, dieses Nein hat er ein ganz klein wenig kleiner geschrieben als das Ja, hat aber extra um Ja und Nein mit dem Lineal ein schönes Viereck gezogen, damit die Mogelei nicht so sehr auffiel. Am liebsten hätte er das Ja mit einem hübschen kleinen Davidstern versehen, damit es den Leuten gut gefiel und sie es ankreuzten. Am Abend vor dem Einschlafen wünschte er sich, das Nein würde von ganz allein noch weiter schrumpfen, so dass es bei der Abstimmung so klein wäre, dass die Herren es ganz einfach übersahen.
    Der hitzköpfige Romek Ziegler war ein im Konspirieren sehr erfahrener Mann. Er bat seine Herren Kollegen, die Industriellen, Stahl- und Eisenhändler zu sich, um gemeinsam zu überlegen, was zu tun sei gegen diesen Mann aus Österreich, der seit neustem ganz Deutschland regierte mit seinem widerwärtigen Judengeschrei. Und es sind viele zu Romek Ziegler gekommen, aber nicht so viele, wie er es sich erhofft hatte. Und keiner wusste, dass sich Romek über jeden, der nicht kam, so sehr erboste, dass er sich vornahm, die Feiglinge in Zukunft nicht mehr an den guten Geschäften zu beteiligen, die in seinem Einflussbereich lagen, und das waren nicht gerade wenige. Aber keiner von den Gästen ahnte, dass Romek Ziegler bereits in seinem Kopf einen ausgereiften Plan hatte, wie diesem Österreicher beizukommen sei.
    Es war nicht einfach, die Stahlhändler davon zu überzeugen, dass in dem Land nebenan, mit dem sie so eng über den Handel verbunden waren, sich etwas Gefährliches zu regen begann. Erst haben die Herren einen Wodka getrunken und über Geschäfte geplaudert, dann wurde es nach der Ansprache von Romek Ziegler sehr laut, lauter und immer lauter. Plötzlich drehte Romek das Radio an. Die Herren hörten zu, wie ein paar Kilometer weiter in Deutschland die neue Zeit herbeigeschrien wurde. Als sie den tosenden Applaus hörten, wurde es auf einmal ruhig im Wohnzimmer, nach Fettauges Geschmack viel zu ruhig. Er erschrak, ja, er ängstigte sich, was denn wohl der Mann mit der auf- und abschwellenden heiseren Stimme so Schlimmes zu sagen hätte.
    Der

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