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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minka Pradelski
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Körper an bestimmten Stellen berühre.«
    Am frühen Morgen sehe ich durch das geöffnete Hotelfenster zum ersten Mal den heißen trüben Wüstenwind. Ich schmecke ihn auf der Zunge. Er trägt Sand aus den arabischen Wüsten mitten in die Stadt, taucht sie in eine gelblich grau gefärbte, feuchte, schwül-drückende Hitze. Die Stadt stöhnt, atmet schwer. Chamsin, der Wüstenwind. Ein Wort genügt, man blickt sich vielsagend an, verzeiht sich für ein paar Stunden die Reizbarkeit, die nervöse Hast. Frau Kugelmann löst das Tuch um ihren Mund, als sie mein Zimmer betritt. Sie ist allergisch gegen die Staubpartikel, die der fliegende Sand mit sich trägt. Sie hustet. »Chamsin«, sagt sie halb entschuldigend zu mir, als sie sich auf ihren Sessel niederlässt.
    »Mich interessiert die Windrichtung nicht. Sie wollten mir doch von friedlichen Zeiten erzählen, und jetzt sind wir mitten im Krieg!«
    »Die Friedenszeiten münden in den Krieg«, antwortet Frau Kugelmann hart. Sie richtet sich in ihrem Sessel kerzengerade auf. »Ich kann Sie nicht verschonen.«
    »Haben Sie denn schon irgendwann irgendjemand mal damit verschont?«, sage ich und fühle eine Wut in mir aufsteigen.
    »Meine Kinder.«
    »Sie haben Kinder?«
    »Ja, zwei Buben, sie haben längst eigene Familien.«
    »Sie haben ihnen nichts erzählt?«
    »Nein!«
    Eine Frau, die nicht aufhören kann, von ihrer Stadt zu erzählen, schweigt gegenüber ihren eigenen Kindern?
    »Noch nicht einmal eine harmlose Episode über die Schnorrerin Malka Feiga oder den Friseur Lachmann?«, frage ich misstrauisch.
    »Nein, das Wort Bendzin kam nicht über meine Lippen.«
    »Wissen Ihre Kinder überhaupt, wo Sie geboren sind?«
    »Nein, sie haben mich nicht danach gefragt.«
    »Auch nicht, als sie jünger waren? Nie gefragt, Mutti, zeig mir mal das Haus, in dem du gelebt hast?«
    »Nein.«
    Vielleicht haben ihre Söhne keine Fragen gestellt, weil sie wussten, dass sie keine Antworten bekommen würden, denke ich.
    Auch ich habe nicht gefragt, ich habe gar nicht gewusst, dass ich hätte Fragen stellen können.
    »Und später, als Ihre Söhne erwachsen waren, haben sie auch dann keine Fragen gestellt?«
    »Meine Kinder haben nicht gefragt, und ich habe nichts erzählt. Ich wollte nicht, dass sie mit dem Gedanken an Tod und Verwüstung groß werden.«
    »Aber irgendwann sind sie erwachsen geworden und hätten die Wahrheit vertragen können! Sie hätten es ihnen sagen müssen.«
    »Wir haben uns gegenseitig geschont«, sie wischt sich die Tränen ab, spricht plötzlich so leise, dass ich meinen Kopf zu ihr beugen muss. »Sie wollten mich nicht zum Weinen bringen. Ich wäre an meinen eigenen Worten zerbrochen. Meine Kinder wussten das, ohne dass wir je ein Wort darüber verloren hätten.«
    Und ich? Was habe ich gewusst? Was habe ich meinen stummen Eltern angetan! Ich blieb ihnen fern. Und doch bin ich aus ihnen entstanden, aus ihrem Blut, ihrer Haut, ihren Knochen. Mein Eismantel trennte uns. In diesem Moment kommt es mir so vor, als sei ich einäugig wie eine Zyklopin jahrzehntelang durch die Eiszeit gestampft, und ich habe tatsächlich geglaubt, dass ich zwei Augen habe, mit denen ich sehe.
    »Wissen Ihre Kinder, was sich in meinem Hotelzimmer abspielt?«, frage ich liebevoll und ergreife ihre Hand. Ich wollte, sie ließe sich in den Arm nehmen und ich könnte ihr geben, was ich Vater und Mutter verwehrt habe.
    »Nein, sie wissen nichts.«
    »Mich haben Sie so sehr beschenkt. Ich bin viel reicher als Ihre Kinder. Stört Sie das nicht?«
    »Doch«, sagt sie traurig. »Vielleicht«, sagt Frau Kugelmann und starrt ins Leere, »sollten alle Überlebenden ihre Geschichten fremden Kindern erzählen, weil es mit den eigenen so schwierig ist.«
    Wir schweigen minutenlang.
    »Dann würden Tausende aus aller Welt nach Israel reisen, deren Eltern nicht zu ihnen sprechen konnten und die jetzt alles wissen wollen«, sage ich mit belegter Stimme. »Überall würden sich Grüppchen von Erzählern bilden, auf den Parkbänken, am Meer, auf der Straße, in den Cafés. Es gäbe keine Aufteilung mehr zwischen Arm und Reich, Jung und Alt, Mann und Frau. Im ganzen Land gäbe es nur noch Zuhörer und Erzählende.«
    Sie nickt, lächelt milde und blickt mich freundlich an: »So wie wir beide in diesem Hotelzimmer.«
    Dann wendet sie sich wieder ab und lehnt sich schwerfällig im Stuhl zurück und erzählt dort weiter, wo sie gestern aufgehört hat.

Kauft nicht bei den Schlesiern
    »Wenn uns damals

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