Und dann der Himmel
sehen. Mir wird dann immer schlecht.“
„Hättest du lieber einen schriftlichen Beweis? So eine Art Attest, wo draufsteht: ‚Hiermit bestätige ich, dass Rafael ein Engel ist und mir seit Anbeginn der Zeit dient‘, Unterschrift: Gott?“ fragte Rafael ironisch.
„Ja, warum nicht? Das wäre zumindest eine unbezahlbare Autogrammkarte. Ich könnte versuchen, sie im Internetzu versteigern“, gab ich zurück. „He … was tust du denn da?“ Rafaels Körper begann plötzlich in einem warmen, weißen Licht zu schimmern, das immer heller wurde und ihn schließlich in gleißender Helligkeit einschloss.
„Ich zeige dir, wie ich wirklich aussehe, was sonst?“
Schützend legte ich eine Hand über meine Augen und blinzelte in das Licht, das so hell wurde, dass Rafaels Umrisse darin zu verschwimmen begannen. „Wow!“ entfuhr es mir. „Irre! Was ist das? Irgendein Trick mit Lasern oder so?“
„Energie“, ertönte Rafaels Stimme aus der Mitte des Lichts. „Engel bestehen aus reiner Energie.“
„Du meinst, ich habe jetzt so etwas wie eine Erscheinung?“ fragte ich zugegebenermaßen ziemlich beeindruckt.
Das Licht, das Rafael wie einen Mantel umhüllte, wurde matt und bleich wie der Mond, der sich inzwischen am Himmel zeigte, bis es schließlich gänzlich verschwand und mein Begleiter wieder in T-Shirt und Jeans neben mir saß. „Kann man so sagen“, erwiderte er, „und kein Mensch wird dir glauben, wenn du es jemals erzählen wirst. Und damit deine letzten Zweifel ausgeräumt werden, solltest du vielleicht mal in deinen Kofferraum schauen. So viel ich weiß, ist es illegal, Wildvögel zu stehlen.“
Ich sah Rafael erstaunt an. Die Ente hatte ich komplett vergessen. „Woher weißt du dav…?“
Ein Rumpeln im hinteren Teil meines Wagens und ein empörtes Quaken unterbrachen mich. Ich stieg aus und öffnete den Kofferraum, wo mich ein quicklebendiger und ziemlich wütender Erpel anblinzelte. Er schüttelte sein Federkleid, als hätte er nur ein ausgiebiges Nickerchen gemacht, und dann hob er ab und verschwand am Himmel. Ich starrte ihm mit offenem Mund nach.
„Aber … aber … das Vieh war tot!“
„Tja“, erklärte Rafael mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck. „Glaubst du mir endlich?“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Um einer Antwort zu entgehen, stieg ich wieder in den Wagen, trat aufs Gaspedal und wir setzten die Fahrt fort. Rafael schien meine Reaktion auszureichen, denn er bohrte nicht weiter nach.
Den Rest der Strecke legten wir schweigend zurück. Erst als in einiger Entfernung die Spitzen des Kölner Doms zu erkennen waren, fand ich meine Sprache wieder.
„Und … und was passiert jetzt?“ fragte ich stockend. „Ich meine, wie geht es weiter mit uns beiden?“
Rafael sah mich mit hoch gezogenen Augenbrauen an. „Ich dachte, das wäre klar! Du nimmst mich mit zu dir nach Hause. Wie soll ich dir sonst helfen, auf den rechten Weg zurückzufinden?“
„O nein“, stöhnte ich entsetzt, „du willst bei mir wohnen? Das kann doch nicht dein Ernst sein! Wie stellst du dir das vor? Was soll ich den anderen sagen? ‚He, ich hab einen Freund von mir mitgebracht, er wird einige Zeit bei uns wohnen. Er heißt Rafael, und übrigens, er ist ein schwuler Engel‘? Sie werden sich bepissen vor Lachen!“
Rafael schmunzelte. „Das ist dein Problem. Aber denk dran, falls du ihnen ein Märchen über mich erzählst: Engel lügen niemals. Es ist besser, die Wahrheit zu sagen, weil deine Freunde früher oder später doch dahinter kommen werden.“
„Na, großartig!“ sagte ich, während ich von der Autobahn abbog, durch die Straßen der Stadt fuhr und schließlich vor unserem Haus hielt. „Bis heute Mittag war ich relativ zufrieden, zwar nicht richtig glücklich, aber auch nicht wirklich unglücklich, dann fällt mir ein Engel vor die Füße und peng! mein Leben versinkt im Chaos!“
„Falsch!“ korrigierte mich Rafael. „Auch wenn du es dir selber vielleicht noch nicht klargemacht hast: Du bist mit deinem Leben ausgesprochen unzufrieden. Denk nur an Finn!“
„Finn?“ antwortete ich verärgert. „Diesen Namen habe ich aus meinem Gedächtnis gestrichen. Er war nur ein blöder Arsch, der mich nach Strich und Faden betrogen hat!“
„Kein Grund, verbittert zu werden, davon kriegt man nur Falten“, sagte Rafael und schloss die Autotür mit einem Knall. „Wart’s ab: Dank meiner Unterstützung wird sich dein Leben schon bald zum Besseren wenden!“
„Ja,
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