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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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natürlich!“ gab ich zurück, während wir zusammen die Treppenstufen erklommen. „Das hätte ich fast vergessen! Du bist ja ein Engel mit Sendungsbewusstsein! Du hast einen Auftrag zu erledigen!“
    „Du sagst es. Ich werde dir den Mann fürs Leben besorgen, meine Verbannung wird aufgehoben und alles wird gut“, keuchte Rafael, während er hinter mir die Treppe hochstieg. „Warum musst du eigentlich so weit oben wohnen?“
    „Schwule wohnen immer im Dachgeschoss. Das ist eines dieser Naturgesetze, so ähnlich wie die Tatsache, dass wir nicht Fußball spielen und nicht auf den Fingern pfeifen können“, sagte ich. „Und wenn ich nun aber gar nicht mehr auf der Suche nach einer Beziehung bin? Was ist, wenn ich mir den Traum vom Traumprinzen abgeschminkt habe?“
    Rafael blieb stehen. „Lüg mich nicht an, Marco“, sagte er. „Es ist nicht gut, seine Sehnsüchte zu verleugnen. Sie fressen sich in dein Inneres und legen sich wie ein Schatten auf deine Seele, wenn sie für immer unerfüllt bleiben.“ Seine Stimme klang plötzlich hart und traurig, als wäre er schon vielen Menschen begegnet, die ihre Träume unerreichbar geglaubt und verbittert begraben hatten.
    Ich seufzte. Rafael hatte Recht. Natürlich war ich noch immer auf der Suche nach dem Mann, der meine Macken ertragen und mich trotzdem lieben würde. Glück bedeutete für mich, sich nachts in ein Paar vertrauter Arme zu kuscheln und auch am nächsten Morgen beim Frühstück noch zu wissen, worüber ich mit dem Mann am anderen Ende des Tisches reden könnte. Glück bedeutete, im Supermarkt den Einkauf für die nächste Woche gemeinsam zu erledigen und sich über das Urlaubsziel des nächsten Jahres zu streiten, sich darüber aufzuregen, dass der andere nach dem Baden nie die Wanne ausspülte, und zu wissen, dass er mir auch noch bei der zehnten Wiederholung von Pretty Woman verständnisvoll Papiertaschentücher herüberreichen würde. Außerdem bedeutete es natürlich hemmungslosen, versauten und unaufhörlichen Sex. Mit Finn war ich meinen Idealvorstellungen eine Zeit lang schon ziemlich nahe gekommen. Aber letztendlich war er doch nur einer der Männer gewesen, die damit drohten, meinen Hamster aus dem Fenster zu werfen, und die erstbeste Gelegenheit nutzten, mich zu betrügen. Würde Rafael es verstehen, dass ich keine großen Hoffnungen mehr hatte, jemandem zu begegnen, der all das besaß, was ich mir erträumte?
    „Ja“, sagte Rafael und ich wusste, dass er meine Gedanken gelesen hatte, „aber du darfst nicht aufgeben. Sonst hast du dein Leben verschwendet. Und das“, erklärte er salbungsvoll, „ist tatsächlich die größte Sünde, die du begehen kannst. Denn das Leben ist ein Geschenk Gottes.“
    Ich verdrehte die Augen und schloss die Wohnungstür auf.
    Meine Mitbewohner waren alle in der Küche. Anja zerkleinerte gerade Gemüse für einen vegetarischen Auflauf, Lars hörte sich die Sportsendung im Radio an und Patrick drehte einen Joint.
    „Hallo, Leute“, sagte ich nervös, „das hier ist Rafael. Er – er ist ein Freund von mir und bleibt für ein paar Tage. Ist das okay?“
    Anja nickte. „Klar. Warum nicht? Das Essen reicht für alle. Hallo, Rafael!“
    „Moment“, unterbrach ich hastig, „da ist noch was.“
    Lars und Patrick sahen mich fragend an. „Rafael ist schwul“, sagte ich zögernd.
    „Wirklich?“ erwiderte Lars grinsend. „Hätte ich jetzt nicht gedacht, Marco. Echt nicht.“
    „Und er ist ein Engel“, fügte ich hinzu.
    „Nee, ist klar, Marco. Sehr witzig“, sagte Anja, während sie mir den Rücken zudrehte und eine Stange Lauch zerschnitt. „Und ich bin die Mutter Gottes.“
    „Das zu behaupten wäre vermessen“, meldete sich plötzlich Rafael zu Wort, „und wahrscheinlich auch ein wenig gefährlich, denn sie kann mitunter sehr zickig sein, wenn sie gereizt wird, aber dein Haar ähnelt dem von Maria Magdalena.“
    Einen kurzen Augenblick herrschte völlige Stille in dem Raum, nur unterbrochen von der aufgeregten Stimme des Radiomoderators. Dann gab es einen wütenden Schrei und einen lauten Fluch. Anja hatte sich in den Finger geschnitten.
    „Den Rest kennt ihr“, schließe ich meine Geschichte. „Wir haben zusammen gegessen und dann hat er sich in die Rumpelkammer zum Schlafen verzogen.“
    „Hat er wirklich gesagt, dass Madonna in die Hölle kommt?“ fragt Lars noch einmal nach. In seinem Zimmer liegt eine ganze Sammlung von Madonna-CDs. Er hat sich sogar freiwillig ihre Filme

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