Und dann kam Paulette (German Edition)
Turnschuhen. Louise hatte sich sogar geschminkt. Muriel fand es zwar etwas nuttig, hielt sich aber mit einer Bemerkung zurück. Es gab keinen Grund, sie zu verärgern. Das Mädchen war echt sympathisch. Sie tranken in Ruhe ihren Kaffee und überquerten dann reichlich gestresst um Viertel vor fünf den Platz, um das gegenüberliegende Restaurant zu betreten.
Die Kinder waren gerade aus der Schule zurückgekehrt und setzten sich an einen Tisch, um ihre Hausaufgaben zu machen und Kakao und Kekse zu sich zu nehmen. Als die beiden Mädchen hereinkamen, hörte Ludo vor Schreck auf zu kauen. Ihr gestelzter Gang, ihre großen Brüste, ihr aufdringliches Parfüm, das ihn ganz benommen machte, und der Kirschmund der einen: So etwas hatte er noch nie gesehen. Seine Mutter Isabelle, die seine Reaktion mitbekommen hatte, machte ihm Zeichen, sich wieder seinen Hausaufgaben zu widmen, während sie sich mit den Mädchen ein Stück weiter weg an einen Tisch setzte und ihnen einen Kaffee anbot. Sie trauten sich nicht, das Angebot auszuschlagen, obwohl es an diesem Tag schon ihr fünfter Kaffee war und sie einen Kreislaufschock, eine Übersäuerung des Magens, zittrige Hände, Schlaflosigkeit und dergleichen mehr riskierten. Vor allem Muriel. Seit einiger Zeit litt sie an all diesen Symptomen gleichzeitig. Es ging sogar so weit, dass sie erwog, ganz auf Kaffee zu verzichten und zu Tee überzugehen. Das musste aber bis zum nächsten Tag warten, sei’s drum.
Und Isabelle stellte ihnen Fragen. Nein, sie hatten noch nie in einem Restaurant gearbeitet. Aber sie hatten große Lust dazu. Ja, sie waren neunzehn und beide im zweiten Jahr an der Krankenschwesternschule. Sie waren mit ihrer Entscheidung sehr zufrieden. Ja, ja, sie hatten auch flache Schuhe, na klar, das war beim Arbeiten viel praktischer, und man knickte auch nicht so schnell um, wenn man mal etwas schneller lief. Ja, sie brauchten das Geld, bis Mitte des Monats reichte die Kohl… Na ja, es wurde halt etwas knapp. Isabelle fragte nicht weiter, sondern sagte okay. Sie sahen sich an und waren unsicher, ob okay hieß, dass sie den Job bekommen hatten. Als ihnen Isabelle daraufhin erklärte, was sie zu tun hätten, um welche Uhrzeit sie sich einfinden müssten, dass sie lieber kein Parfüm benutzen sollten, das könnte den Geschmackssinn der Gäste beeinträchtigen, wie alles im Großen und Ganzen abzulaufen hatte, da waren ihre Zweifel verflogen. Es ging zwar erst mal nur um einen Tag, aber das Ganze war mächtig aufregend. Außerdem fand man hier in der Gegend kaum Aushilfsjobs, wenn man von der Saison im Frühling und Sommer absah, wo in der Ernte und bei der Weinlese Helfer gesucht wurden. Wenn es gut lief, würden vielleicht weitere Gelegenheiten folgen. Hochzeiten, Junggesellenabschiede, Geburtstage, Renteneintrittsfeiern, das kam hier schon von Zeit zu Zeit vor.
Sie gaben Isabelle die Hand. Und unter Ludos nach wie vor hingerissenen Blicken verließen Muriel und Louise das Restaurant. Leicht hinkend, das ließ sich bei neuen Schuhen nun mal nicht vermeiden, gerade wenn die Absätze so hoch waren. Sie warteten, bis sie den Platz überquert hatten, bevor sie sie abstreiften, barfuß über den eiskalten Bürgersteig rannten und laut jubelten, weil sie ihren ersten Job gefunden hatten.
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6
Die Eltern arbeiten, die Kinder fahren Rad
Samstag.
Isabelle hat Sandwichs für die Kinder vorbereitet. Heute Abend war das berühmte Jägerbankett. Sie hatte vier Aushilfen engagiert. Muriel und Louise für den Service plus zwei junge Männer in der Küche. Alles Schüler und Studenten. Die sind billiger als gelernte Kräfte. Der Nachteil ist, dass sie noch nie in der Gastronomie gearbeitet haben, man muss ihnen alles erklären. Das kostet Zeit. Die Stimmung ist angespannt. Roland rennt hin und her, kläfft alle an und braust bei jeder Gelegenheit auf. Die beiden Männer in der Küche haben Mühe, ihn zu ertragen. Sie machen so oft wie möglich Pause. Kim, der nettere von beiden, erklärt den Mädchen, dass ihnen sonst die Sicherung durchbrennt. Muriel und Louise stellen sich draußen dazu, um eine zu rauchen und ihren Spaß zu haben. Sie haben Glück, dass sie zum Bedienen eingeteilt sind, das ist weniger stressig. Isabelle, die Chefin, überwacht zwar jede ihrer Bewegungen, was nervig ist, aber sie ist insgesamt ganz nett.
Den ganzen Morgen über waren Ludo und Klein Lu oben in der Wohnung geblieben. Sie hatten gespielt und Hausaufgaben gemacht, wie Isabelle
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