Und dann kam Ute (German Edition)
alleine reitet er in seinem Porsche in den Sonnenuntergang. Wie rührend!»
Gerade wollte ich voller Selbstmitleid ein Tränchen verdrücken, da setzte sie meiner Rührung ein jähes Ende.
«Schröder, den Mist kannst du deinen blondierten Modetussen erzählen. Wenn ich diese Vanessa von Douglas schon sehe! Wenn die da gewesen ist, müssen wir das Treppenhaus den ganzen Tag lüften, weil es stinkt wie in einer Dorfdisco. Baden die in dem Zeug? Was willst du eigentlich mit solchen Frauen?»
«Tja … Ute … äh … das äh … ist eben mein gutes Herz. Du weißt doch, wie schlecht ich nein sagen kann. Die Vanessa ist ’ne ganz Liebe. Die kann ganz toll Schnittchen machen. Schön mit Gürkchen und einem Klecks Mayonnaise obendrauf. Ich sag doch auch immer schon: ‹Vanessa, such dir mal einen anständigen Kerl.› Ich bin da auch in der Verpflichtung, weißt du? Ich hab den Eltern am Grab versprochen, mich um das arme Mädchen zu kümmern.»
«Ach, wie süß ist das denn? Wie alt war die Vanessa denn da?»
«Ja, was weiß ich? Vielleicht 28 oder so.»
«Und die anderen Tussis? Sind das auch alles arme, vollbusige Waisenkinder?»
Ihre Stimme ätzte nicht schlecht. Ich musste etwas Ruhe ins Boot bringen.
«Ach nun hör doch mal auf. Das ist doch ein einziges Missverständnis. Ich hab halt ein großes Herz. Wie geht’s denn eigentlich deiner Mutter, was macht die gute alte Maria?» Natürlich durchschaute sie mein plumpes Manöver.
«Komm, lass gut sein. Du bist einfach ein charmanter Windhund, der nie erwachsen wird, weil du vor Frauen wie mir Angst hast.»
Ich dachte einen Moment nach und antwortete, überrascht von mir selbst: «Schön und gut, das mag ja alles so sein.» Ich schaute ihr in die Augen: «Aber … wer hat hier eigentlich Angst vor wem?»
Wir mampften noch eine Weile nachdenklich unseren Kuchen, dann musste Madame los und ihren Philipp abholen. Ich musste in Düsseldorf auftreten. Auf dem Rückweg von der Halle kaute ich immer noch gedankenverloren auf Utes Vorwürfen herum. Leider konnte ich mir auch keine passenden Antworten geben. Während ich über die Landstraße Richtung Essen bretterte, tauchte vor mir die große Neonreklame des Swingerclubs «69» auf. Der Laden existierte schon seit fünfzehn Jahren. Uwe Müller, der Besitzer, von allen nur «Birkel» genannt, verdient sich mit dem kunterbunten Rappelreigen in der alten Klinkerhütte eine goldene Nase. Daher auch sein Spitzname «Birkel», den er schon kurz nach seiner Ausbildung zum Schiffskoch weghatte, als er beschloss, sein Geld im «Nudelgeschäft» zu machen. Als gebürtiger Hamburger pflegt er bei jeder unpassenden Gelegenheit im breitesten Reeperbahnslang zu verkünden: «Jeden Pudel juckt die Nudel!» Anscheinend juckte vielen die Nudel ganz gewaltig, denn der Parkplatz war auch an jenem Abend wieder gerammelt voll.
Ich kenne Birkel noch aus den Anfangstagen des Clubs. Damals hieß der Laden noch «Labskaus» und war ein lupenreiner Rockschuppen. Aber dann war mit harter Rockmusik kein Geld mehr zu verdienen, und Uwe beschloss, den Laden dichtzumachen und das «69» dort einzuquartieren. «Der Lange» – er ist stattliche 1,98 Meter groß – ist ein feiner Kerl. Wir beide haben in den guten, alten «Labskaus»-Zeiten so manche Tasse Bier zusammen gebechert und wüste Rock-’n’-Roll-Partys gefeiert. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Birkel der anständigste Swingerclub-Betreiber der Welt ist. Er behandelt seine Angestellten respektvoll und fair, bezahlt ordentliche Gehälter und hat stets für jeden ein offenes Ohr. Drogen, Randale und Exzesse duldet er nicht im «69», und wer Ärger macht, muss sehr schnell auf unangenehmste Weise feststellen, dass aus dem freundlichen und gemütlichen Riesen ein wütender Grizzly werden kann. Natürlich gehört er zum festen Stamm unserer traditionellen Männerrunde und ist auch dort immer ein Garant für gute Laune und Spaß.
Mir persönlich hat sich die Welt der «Swinger» nie richtig erschlossen. Vielleicht bin ich aber auch nur ein wenig zu konservativ und verklemmt. Wahrscheinlich. Am Ende sind wir doch alle Spießer.
Der Gedanke wurmte mich, also beschloss ich, meiner Verklemmtheit bei einem Cocktail an der Swinger-Theke auf den Grund zu gehen. Ich spekulierte darauf, mit Birkel ein Tässchen Kaffee zu trinken und ein bisschen zu «snacken», wie er als Hamburger immer sagt. Bei der Gelegenheit fiel mir auf, dass ich ihn noch nie im Club besucht hatte.
Weitere Kostenlose Bücher