Und dann kam Ute (German Edition)
doch noch gar nichts. Unser Mirko kann schon auf Englisch bis hundert zählen und liest schon den ‹Kinder-Spiegel›!»
Die Barbour-Jacke versuchte mal wieder, das letzte Wort zu haben: «Unser Alexander hat sich selber das Lesen und Schreiben beigebracht. Wir glauben, der ist hochbegabt.»
Ich schaute sie treuherzig an und ließ mir jedes Wort genüsslich auf der Zunge zergehen: «Natürlich ist der hochbegabt, sonst hätte der doch nicht so intelligent in die Sandkiste geschissen. So, komm, Philipp, gib Gas! Ich hab den Porsche dabei, hier ist der Schlüssel, du fährst. Ab zu McDonald’s, die haben ein neues Happy Meal!»
Allgemeine Erstarrung. Gefangen im Raum-Zeit-Kontinuum. Die Temperatur sank unter den Gefrierpunkt. Finjas Mutter kriegte als Erstes wieder Druck auf die Okolyten. Mit verzerrtem Gesicht fing sie an zu dozieren: «Herr Schröder, ich weiß ja nicht, in welchem Verhältnis Sie zu der von uns sehr geschätzten Frau Peymann stehen, aber das eine sag ich Ihnen: Wir sind hier ein Kindergarten und keine Spiel-o-thek! Wir versuchen die Kinder gesund zu ernähren und zu besseren Menschen zu erziehen. Im Einklang mit Körper, Geist und Seele. Unter Anwendung anthroposophischer Gesichtspunkte und esoterischer Metaphysik.»
Mit ruhiger Stimme entgegnete ich: «Hör mal, Rapunzel, kämm dein Haar … und setz es auf. Ich habe nicht ein Wort von dem verstanden, was du gesagt hast, aber eins ist sicher: Besonders locker bist du nicht.»
Ihre Stimme wurde noch schriller: «Es geht hier nicht um mich, es geht um die Kinder. Dank Pentatonik und Eurythmie können sie sogar ihren Namen tanzen.»
«Ja, gnädige Frau – und dank RTL und Dieter Bohlen können sie ihn auch bald furzen! Schönen Tag noch, die Damen!»
Zehn Sekunden später saß ich mit Philipp im Porsche. Monsieur thronte rechts neben mir auf seinem Kindersitz und schnallte sich an.
«Super, Atze. Fahren wir wirklich zu McDonald’s?»
«Waaas? Bist du wahnsinnig? Ist doch viel zu ungesund. Ich will doch keinen Ärger mit deiner Mutter. Nix da, kommt nicht in Frage. Wir fahren schön zu Burger King!»
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16.
Club 69 – des Pudels Kern
E ine Woche später schmollte Ute immer noch ein bisschen. Den kleinen Philipp durfte ich nicht mehr vom Kindergarten abholen. Nicht wegen Ute, nein – die verklemmte Leiterin des Waldorf-Gulags höchstpersönlich hatte mir Hausverbot erteilt. Natürlich nicht direkt, sondern über Ute. Philipp hatte mir allerdings erzählt, dass seine Mama und Frau Stalin richtig Streit hatten meinetwegen. «Mama hat dich ganz doll verteidigt», sagte er. Mir gegenüber ließ sie das allerdings so nicht durchblicken. Stattdessen warf sie mir vor, ich hätte den Kräutergarten vorm Eingang mit meinen Autoreifen ruiniert und mit meiner unverschämten Kodderschnauze für allgemeinen Unmut gesorgt.
Aber all diese kurzfristigen Irritationen erschütterten Utes und mein ansonsten gutes Verhältnis nicht. Wir etablierten unser altes Kaffeekränzchen nach Utes Unterricht wieder, und in den Osterferien verbrachten wir sogar alle drei eine Woche zusammen auf Norderney. Ich hatte ein gemütliches Friesenhäuschen gemietet. Wir freuten uns an der frischen Nordseeluft. Jeden Tag ging es bei Wind und Wetter raus: Muscheln sammeln, Burgen bauen, Drachen steigen lassen, in tiefen Prielen angeln und mit dem Quad querfeldein durch die Dünen brettern.
Jetzt kündigte sich langsam der Sommer an, und ich drehte mächtig auf. Mein altes Adressbuch war voll mit gutgepflegten Stiefmütterchen, die nach dem harten Winter nach ein paar Sonnenstrahlen gierten und etwas begossen werden wollten. So flog ich emsig von Blüte zu Blüte und widmete mich mit viel Liebe und Hingabe der galanten Bestäubung. Denn nur mit großer Innigkeit und aufopferungsvoller Hingabe erntet der edle Imker den köstlichen Nektar der Leidenschaft. Eines Nachmittags, wir saßen bei einem herrlichen Stück Frankfurter Kranz in meiner Küche, fragte Ute aus heiterem Himmel: «Sag mal, Atze, wie ist das denn bei dir? Verliebst du dich eigentlich nie? Hast du keine feste Freundin?»
«Tja, ich bin doch dauernd unterwegs, das macht keine anständige Frau mit. Außerdem – du weißt doch, wie sensibel ich bin. Soll ich mir denn jedes Mal mein Herz zertrümmern lassen, wenn was auseinanderbricht? Nein, nein. Ich spare mich lieber für die Richtige auf.»
Mitleidig schaute sie mich an und strich mir durch die Locken. «Du armer einsamer Ritter. Ganz
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