Und dann kusste er mich
ein Sammelsurium an Tischlampen war auf dem Boden verteilt. Tom teilte sich die Miete mit einer Heavy- Metal-Band namens »Disaffection«, und Wren und ich bogen uns jedes Mal vor Lachen, wenn wir uns vorstellten, wie eine Gruppe tätowierter harter Kerle inmitten von Lichterketten und gemütlichen Möbeln herumbrüllte und auf ihre Instrumente einprügelte.
Während sich die anderen um den Aufbau kümmerten, kochte ich Tee. Jack bezeichnete das als den »Fluch der Sängerin«, weil man als Sänger in einer Band viel Zeit mit Herumstehen verbrachte, während die anderen Band mitglieder ihre Instrumente aufbauten.
Mit einer Handbewegung bat Jack um unsere Aufmerksamkeit. »Wie üblich war unser D’Wayne mal wieder so nützlich wie ein Furz in einem Hurrikan und hat es nicht für nötig befunden, uns darüber aufzuklären, was die Organisatoren der Silvesterhochzeit für Wünsche haben, mal abgesehen von dem Rock-’n’-Roll-Medley. Ich schlage vor, wir halten uns an das übliche Set, fügen wegen der Authentizität ›Auld Lang Syne‹ hinzu und spielen nach Mitternacht ›Celebration‹ von Kool and the Gang – so richtig schmalzig.«
»Zumindest ist es ein bisschen funky«, sagte Charlie und sah geflissentlich über Wren hinweg, die so tat, als würde sie sich ihre Pulsadern aufschlitzen.
Tom riss eine Packung Schokokekse auf und reichte sie herum. »Kitsch ist an Silvester ein notwendiges Übel«, sagte er grinsend. »Vor allem, wenn an diesem Tag eine Hochzeit gefeiert wird. Wie auch immer, jegliche künstlerische Integrität, die wir einst hatten, ist nur noch eine blasse Erinnerung. Stellen wir uns der Tatsache, Brüder und Schwestern: Wir sind Huren für unsere Kunst.«
Tom war für seine sehr direkte Art bekannt, doch dies ging mir zu weit. »Das ist schrecklich, was du da sagst, Tom!«
»Ja, aber leider wahr, Romily. Wir prostituieren unser musikalisches Selbst für die schäbige Unterhaltung anderer Leute.« Er blickte in die Runde, sichtlich zufrieden über die betretenen Mienen, die seine Worte hervorgerufen hatten. »Okay, Jack, der erste Song im Set?«
»›Love Train‹. Zähl ein, Chas.«
Charlie stöpselte seine Kopfhörer ein. Wren und ich taten es ihm nach und sahen ihn abwartend an. »Two, three, four …«
Meine Mum konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum wir vor jedem Gig proben mussten. »Wenn ihr jedes Mal dieselben Songs spielt, solltet ihr die doch mittlerweile in- und auswendig können!« Aber Fakt war nun mal, dass während eines Gigs eine Menge Dinge entsetzlich schieflaufen konnten. Wie damals, als wir auf einer besonders lärmigen Hochzeit spielten und Tom fast einen Aufstand verursacht hätte, weil er bei der zweiten Strophe von »Love Shack« den Text für den männlichen Sängerpart vergessen hatte und den An schluss verpasste. Also spielten wir immer wieder dasselbe, bis Jack einsprang und die Sache zu Ende brachte. Seitdem hatten wir es uns zur Pflicht gemacht, vor jedem Auftritt zu proben.
Als wir zwischen dem ersten und zweiten Set eine Pause einlegten, holte Tom aus seinem Rucksack ein in Alufolie gewickeltes Päckchen heraus, während Charlie Kaffee kochte.
»Hey, Leute, es gibt Kuchen!«, verkündete Tom, worauf wir uns erwartungsvoll um ihn versammelten.
»Bitte, sag mir, dass es der grandiose Weihnachtskuchen deiner Mutter ist!«, rief Wren und stieß einen Freudenschrei aus, als der üppige Obstkuchen mit dem Marzipanboden und dem Zuckerguss enthüllt wurde.
»Ganz genau«, sagte Tom grinsend. »Greift zu!«
Ich schlenderte zu dem jadegrünen Sofa und checkte mein Handy. Während ich durch meine E-Mails scrollte, ließ sich Jack neben mir aufs Sofa plumpsen.
»Und?«
»Was, und?«
Er tätschelte mein Knie. »Also, was ist mit diesem Typen?«
Ein Blick auf ihn genügte, um meine schlimmsten Vermutungen zu bestätigen. Fassungslos blickte ich zu Wren hinüber, die sich gerade angeregt mit Tom unterhielt. »Wann hat sie es dir erzählt?«
»Gestern, nach eurem Treffen.«
»Na toll.«
»Sie macht sich einfach Sorgen um dich.«
Allmählich wurde ich richtig sauer. »Sie sollte ihre Sorgen lieber mal für sich behalten.«
»Hey, reg dich ab. Soweit ich weiß, hat sie es nur mir erzählt. Und Sophie natürlich. Aber sonst niemandem.«
»Oh, da bin ich ja beruhigt! Also weiß nur die Hälfte meiner Freunde davon.«
»Und du gibst dir ein Jahr Zeit für die Suche, was?«
Ich konzentrierte den Blick auf mein Handy. »Richtig.«
Jack knuffte mich
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