Und dann kusste er mich
in die Seite. »Ich finde das gut.«
»Echt?«
»Echt. Zumindest lenkt es dich davon ab, dass du Charlie dummerweise deine unsterbliche Liebe gestanden hast.«
»Das hat sie auch ausgeplaudert?«
»Nein. Das weiß ich von Charlie.« Jacks warmes Lächeln linderte die Panik, die in mir aufstieg. »Du verdienst es, glücklich zu sein, Rom. Und wenn es dich glücklich macht, diesen Typen zu suchen, dann solltest du das auch tun. Selbst wenn man dich deshalb für leicht durchgeknallt halten wird. Außerdem wird es Seiner Gna den von und zu Charlie Stoff zum Nachdenken geben.«
Irritiert sah ich ihn an. »Wie meinst du das?«
Jack gab mir einen Kuss auf die Wange. »Vergiss es. Folge einfach deinem Herzen, Rom. Und pass auf dich auf, okay?«
Zunächst ärgerte ich mich tierisch über Wrens Indiskretion, doch als ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich meine Freunde sowieso früher oder später hätte in meinen Plan einweihen müssen. Wenn ich die Sache wirklich durchziehen wollte, sollte ich sie von Anfang an laut und stolz in die Welt hinausposaunen. Plötzlich schnappte ich vom anderen Ende des Raums einen Blick von Charlie auf, und mein Herz schlug einen Purzelbaum. Sein Lächeln war so flüchtig, dass man es selbst mit einer Zeitlupenkamera nur schwer hätte einfangen können, doch wenigstens war es ein Lächeln.
An diesem Abend sandte mir Onkel Dudley eine SMS, die so viel Begeisterung versprühte, dass mein Handy förmlich zu strahlen schien.
Komm morgen früh um 6 ☺ zum Furnace End Flohmarkt. Gibt eine MENGE zu erzählen! Xx ☺ ☺
Als ich am nächsten Morgen an der matschigen Wiese eintraf, wartete mein Onkel bereits ungeduldig neben dem Eingangstor zum Markt. In den Händen hielt er eine klobige Taschenlampe, seine Wangen waren knallrot von der Kälte, und er trug einen dicken Schal um den Hals und auf dem Kopf eine flache Tweedkappe. Zusammen stapften wir über den steilen Pfad auf die unförmigen Schatten der Autos und Vans zu, die sich auf der dunklen Wiese abzeichneten.
»Wollte Tante Mags nicht mitkommen?«, fragte ich. Mein Atem stieg beim Sprechen in weißen Dampfwölkchen empor.
»Sie ist mit Elvis im Wagen geblieben und hat die Heizung voll aufgedreht. Sie sagt, sie steigt erst um sieben aus, wenn der Donutstand aufmacht. Du kennst deine Tante. Ihr liegt mehr an ihrem Komfort als am Herumstöbern.«
Trotz der frühen Stunde herrschte auf dem Flohmarkt bereits lebhafter Betrieb.
»Ich dachte, wir würden die Ersten hier sein.«
»Nie im Leben! Die meisten kommen schon um fünf, wenn das Tor geöffnet wird. Je früher, desto besser stehen die Chancen auf ein Schnäppchen. Die Händler sind immer als Erste da, damit ihnen niemand die guten Sachen wegschnappt. Wenn du nach acht eintriffst, kriegst du nur noch Ramsch und ungenießbare Hot Dogs.«
»Wow.«
»So, jetzt gehen wir erst mal zu meinem Kumpel Trev am Stand mit den Militaria, und danach genehmigen wir uns ein Tässchen Kaffee.«
Für die meisten Leute war so ein Flohmarktbesuch ein netter Wochenend-Zeitvertreib. Für Onkel Dudley war es eine hoch komplizierte Angelegenheit aus ungeschriebenen Gesetzen, die alle dazu geschaffen waren, ihn zum Heiligen Gral zu führen – dem Fund, der ihn irgendwann einmal steinreich machen würde. Und fairerweise musste man zugeben, dass dieses Konzept in der Vergangenheit bereits Früchte getragen hatte. Als er vor einigen Jahren in einem alten Koffer voller vergilbter Zeitungen und Zeitschriften wühlte, stieß er auf ein unscheinbares Notizheft, in dem sich Aquarellstudien von Tieren, Kin dern und ländlichen Szenen befanden. Der Verkäufer, der sein Zeug loswerden wollte, erklärte sich bereit, Onkel Dudley den Koffer samt Inhalt für zehn Pfund zu verkaufen. Als mein Onkel das Notizheft zu einem Antiquitätenhändler brachte, stellte sich heraus, dass es einmal einem Töpfer gehörte, der diese Studien für eine bedeutende Töpferei in Stoke-on-Trent angefertigt hatte. Auf der Auktion brachte das Heft siebenhundert Pfund ein – genug, um Onkel Dudley und Tante Mags eine Traumreise nach Brügge und für Our Pol einen neuen Anstrich zu finanzieren.
Meinem Onkel bei der Arbeit zuzusehen, war eine anschauliche Strategielehrstunde. Während der zufällige Beobachter lediglich einen Mann in den Fünfzigern sehen würde, der mit den Marktverkäufern nette kleine Schwätzchen hielt, war es für das geübte Auge offenkundig, dass Onkel Dudley ein erfahrener Verhandlungspartner war, der
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