Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dann kusste er mich

Und dann kusste er mich

Titel: Und dann kusste er mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dickinson Miranda
Vom Netzwerk:
vibrierte, als wäre jedes Atom meines Seins elektrisch aufgeladen. Es war schwer zu erklären, aber wenn ein kreativer Prozess einsetzte, fühlte sich das an, als schalteten alle Sinne in einen anderen Gang. Plötzlich arbeitete ich fast unbewusst, ergab mich dem Sog einer Idee und ließ mich einfach treiben.
    »Diese Akkorde … sie passen perfekt zu einer Songidee, die ich vor einiger Zeit hatte.«
    Ein warmes Lächeln erhellte Jacks Züge: »Ja?«
    Ich nickte, während meine Gedanken mit zweihundert Kilometern in der Stunde rasten. »Reduzier das Tempo ein wenig. Du weißt schon, eher so ein lässiger Beat im Stil von Jack Johnson, füg zu dem Chor Close Harmonies hinzu …«
    »Mach weiter.« Ohne mich aus den Augen zu lassen, stellte er die Sequenz mit einem Mausklick auf Endloswiedergabe.
    Ich begann zu summen, schloss die Augen, um das sparsame Arrangement des Demo-Stücks mit dem Song, der sich in meinem Kopf abspulte, zu verbinden. Seit der Begegnung mit PK war dieser Song in mir gewachsen und ließ mich seitdem nicht mehr los. Ich wachte morgens damit auf und ertappte mich beim Komponieren von Jingles für Bauunternehmer und Ohrenschmalztropfen dabei, wie ich das Lied vor mich hinsang und gedankenverloren Textideen auf irgendwelche herumliegenden Zettel kritzelte. Folglich war der Song gegenwär tig auf einem exzentrischen Sortiment aus alten Kuverts, Papierservietten und Kassenbons verteilt, die zerknüllt in meiner Handtasche steckten.
    Ohne hinzusehen, wusste ich, dass Jack es auch spürte – jenen ersten Funken einer Idee, der uns einladend zublinzelte.
    Nachdem ich die Sequenz ein paarmal gesummt hatte, öffnete ich die Augen, starrte auf die Schallwellen, die über den Monitor liefen, und ließ mich einfach mit ihnen treiben.
    »Lust, es ganz zu singen? Gibt es schon einen Text?«
    »Bisher nur ein Stück Refrain.«
    »Cool. Lass hören.«
    Mit einem tiefen Atemzug stürzte ich mich ins kalte Wasser: »Be my last first kiss, let’s start forever, you and me, perfectly …«
    »Klasse!«, stieß Jack so plötzlich hervor, dass ich zusammenzuckte. Er schnappte sich eine Akustikgitarre vom Ständer neben dem Schaltpult, begann halb zupfend, halb schlagend einen Rhythmus zu spielen und nickte dabei zustimmend mit dem Kopf.
    Wir jammten ein paarmal durch den Refrain, fügten da und dort etwas hinzu, und mit jedem Durchlauf wurde Jacks Grinsen breiter. Nach etwa fünf Minuten beendete er den Durchlauf mit der Stopptaste und wandte sich mir zu. »Ich glaube, damit können wir etwas machen, es vielleicht in unsere »Unplugged-Reihe« aufnehmen.« Er schmunzelte. »Ziemlich offensichtlich, von wem das kleine Liedchen handelt.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst«, erwiderte ich, um einen unschuldigen Ton bemüht, was freilich kläglich misslang.
    »Egal. Mir gefällt die neue Rom, die ich vor mir habe.«
    Der abrupte Themawechsel brachte mich für einen Moment aus der Fassung.
    »Das meine ich ernst, Rom. Seit du mit deiner Suche angefangen hast, bist du irgendwie anders. Zuversichtlich, positiv – das ist uns allen aufgefallen. Jetzt sieh mich nicht an, als wäre ich ein Volltrottel, nur weil ich versuche, dir ein Kompliment zu machen.«
    »Danke. Aber ich finde nicht, dass ich anders bin als sonst.«
    »Bist du aber. Du musst es sein, weil es sogar Tom bemerkt hat. Normalerweise registriert er nämlich gar nichts, es sei denn, es hat zwei Räder und eine teure Carbonfaserkarosserie.«
    Ich nahm allen Mut zusammen, um die Frage zu stellen, die nun wie eine glitzernde Discokugel in meinem Kopf kreiste. »Und Charlie?«
    Jack ergriff seine Tasse. »Noch einen Kaffee?«
    Ehe ich eine Antwort geben konnte, war Jack schon halb die Feuerleiter zur Küche hinaufgestiegen. Verdattert starrte ich ihm nach. Was dachte Charlie?
    Jack beantwortete meine Frage weder danach noch später, doch angesichts von Charlies brütendem Schweigen bei unserer nächsten Probe und dem anschließenden Essen beim Pakistaner um die Ecke konnte ich mir meinen Teil denken. So sehr ich mich darüber freute, dass sich mein innerer Optimismus im Hinblick auf die Suche auch äußerlich widerspiegelte – ich wünschte mir dennoch, ich könnte mit Charlie darüber reden. In jeder anderen Situation hätte ich seine Meinung als Erste eingeholt.
    Der Valentinstag kam, an dem wir unseren Auftritt haben sollten, doch unser Manager hielt die Details nach wie vor unter Verschluss. Nachdem er wenig überzeugend irgendwas von

Weitere Kostenlose Bücher