Und dann kusste er mich
Versehen einen Streit heraufzubeschwören, beschloss ich, Charlie gegenüber kein Wort mehr darüber zu verlieren.
Mittlerweile wurden wir immer häufiger für Hochzeiten gebucht. Anfang April hatten wir dann einen Auftritt, der in die Geschichte der Pinstripes eingehen sollte: »die Häschenhochzeit« am Ostersamstag.
Der Veranstaltungsort war ein Hotel in den Außenbezirken von Leeds, und als D’Wayne uns bei der Probe in der alten Schuhfabrik über die Einzelheiten aufklärte, klang alles recht vielversprechend. Wir ahnten zu dem Zeitpunkt natürlich nicht, welche Freuden uns erwarten würden.
»Okay, wir spielen ein Standardset, aber das Paar hat sich für das Mowtown-Medley anstelle des Bee-Gees-Medleys entschieden. Sie sind der Ansicht, dass die Gäste eher Lust auf ein wenig ›Saturday Night Fever‹ und ›Grease‹ haben als auf ›Heard it Through the Grapevine‹. Der erste Tanz wird ›Better Together‹ sein.«
»O nein. Jack Johnson. Wie öööde«, stöhnte Tom.
Verwundert sah ich ihn an: »Es ist doch ein hübscher Song.«
»Für den Sänger vielleicht. Aber wenn man ihn spielt, ist das genauso, als würde man Farbe beim Trocknen zusehen.«
Tom und Wren gaben eine Luft-Bass-Gitarre-Version des Songs zum Besten, dabei gähnten sie, blickten auf die Uhr und verdrehten die Augen. Charlie und Jack fanden das offenbar wahnsinnig witzig und schlossen sich mit einem imaginären Schlagzeug und Keyboard an, die sie mit derselben übertriebenen Langeweile spielten.
»Ihr seid Zyniker«, schimpfte ich, obwohl ich mir ein Lachen nicht verkneifen konnte, weil die Darbietung einfach zu komisch war.
»Können wir uns darauf verlassen, dass diesmal keine Strumpfhosen verlangt werden?«, fragte Jack D’Wayne, der daraufhin sofort den Kopf einzog. Seit jenem kostümierten Auftritt wurde er von uns gnadenlos verspottet.
»Mann, ich habe doch gesagt, dass es mir leidtut«, brummte er. »Der Hochzeitsplaner hat mir versprochen, dass es heute ein ganz normales Event sein wird.«
Wie sich herausstellte, hatte der Hochzeitsplaner gelogen.
Welches Motto wäre für eine Hochzeitsfeier an einem Ostersamstag besser geeignet als Ostern und der Osterhase? Zu unser aller Entsetzen stellte sich heraus, dass nicht nur die Hochzeitsgesellschaft Stirnbänder mit flauschigen Hasenohren trug, sondern dass man dies auch von allen anderen Anwesenden erwartete. Laut Hochzeitsplaner war auf der Einladung ausdrücklich vermerkt worden, dass niemand ohne die korrekte Kopfbekleidung Einlass zu den Feierlichkeiten bekäme. Es erübrigt sich zu sagen, dass auch die Musikband nicht von diesem Dresscode ausgenommen war – und der Trauzeuge des Bräutigams bestand darauf, uns entsprechend auszustatten, ehe wir einen Fuß in das Hotel setzen durften.
Toms Miene verriet, wie wir uns alle fühlten. »Ich dachte immer, ich sei ein ernsthafter Musiker«, tobte er, doch seine Wut verlor durch die lächerlichen Plüschohren, die beim Sprechen hin und her wackelten, etwas an Wirkung. »Was müssen das für kranke, abartige Typen sein, die Häschenohren bei ihrer Hochzeit verlangen? Das zieht die ganze Feier doch total ins Lächerliche.«
Leider hörte das Osterhasenmotto nicht bei den rosa Schlappohren auf: Gelbe flauschige Spielzeugküken um rahmten jedes Gedeck und waren auf der gesamten Haupttafel verstreut. Rosa, blaue, gelbe und grüne Bänder schlangen sich fröhlich um die weißen Stuhlbezüge und die Marmorsäulen am Eingang zur Lobby. Knuddelige Plüschhasen umringten die von Ostereiern bekrönte Hochzeitstorte, saßen auf Tischen und hielten Körbe mit Osterglocken und weißen Tulpen in den Pfoten. Und auf einem eingezäunten kränklich grünen Grasstreifen mitten im Saal hockten sogar echte weiße Hasen und waren völlig verschreckt. Jeder Gast erhielt eine Packung mit Minischokoladeneiern, und für den Nachmittag war für die Kinder eine Ostereiersuche organisiert worden. Und damit nicht genug: An der Rücklehne eines jeden Stuhls waren flauschige rosa Bommelschwänze befestigt. Es war gruselig – ein Lehrbeispiel für eine lustige Idee, die man zu weit getrieben hatte und die alles dominierte und erdrückte.
Und was den Gig anging … Tja, versucht ihr mal, vor zweihundert Gästen, die zu »Saturday Night Fever« einen auf John Travolta machten und mit abartigen Accessoires ausstaffiert waren, einen perfekten Auftritt hinzulegen …
Unsere Aufgabe wurde durch die unangenehmen Gäste, die ständig dazwischenbrüllten, nicht
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