und das Geheimnis der Saerge
zerfallen.«
Peter schüttelte sich. Er betrachtete den Sarg einer nackten, jungen Frau, deren Haut auf dem Bauch sonderbar zur Seite hing. »War schwanger«, berichtete Alexandra und sah die Mumie traurig an. Peter schauderte. Rasch wandte er sich zur anderen Seite. Dort lag eine ältere Frau völlig bekleidet.
Bob schwankte zwischen Entsetzen und Neugier. »Wieso ist ihre Kleidung erhalten geblieben?«, wollte er wissen und zeigte in den Sarg.
»Oh, bitte! Nicht berühren! Das ist strikt verboten!« Emil Mylnár drängte sich dazwischen. »Das Gewand ist aus Brokat. Das ist ein schwerer Stoff, der langsamer zerfällt als Baumwolle.« Justus bemerkte einen merkwürdig intensiven Blick in den Sarg. »Der Stoff fühlt sich noch richtig edel an«, meinte ihr Führer, ohne den Sarg aus den Augen zu lassen.
Mehrere Touristen beklagten sich über die Kälte in dem Gewölbe. Mylnár riss sich los. »Die Führung ist praktisch zu Ende«, übersetzte Alexandra. »Er will uns nur noch zum Ausgang bringen.«
»Lasst ihn nicht aus den Augen«, sagte Justus leise, während sie die enge Treppe nach oben stiegen.
Vorbei an zwei Beichtstühlen und einem Seitenaltar gingen sie auf das Kirchenportal zu. Mit vielen kleinen Verbeugungen nahm Mylnár das Trinkgeld der Besucherinnen und Besucher entgegen. »Ich erledige das«, meinte Alexandra rasch und steckte ihm eine Geldnote zu. Er verabschiedete sich freundlich.
Wie unschlüssig betrachteten die Jungs die große Orgel. Aus dem Augenwinkel sah Justus, dass ihr Führer die Kirche keineswegs verließ, sondern ebenfalls abwartend auf- und abging.
»Er hat die Tür zur Gruft nicht verschlossen«, flüsterte Justus.
»Wir müssen so tun, als würden wir verschwinden«, schlug Bob leise vor, »sonst passiert gar nichts.«
Auf die Deckengemälde deutend, entfernte sich Justus in eine hintere Ecke der Kirche. Mylnár kann keinesfalls wissen, wer wir sind, dachte er, sonst hätte er sich anders verhalten.
Am Opferstock versammelten sich die vier. Alexandra blätterte in den ausgelegten Prospekten. »Er geht zurück, in Richtung Gewölbe«, hörte der Erste Detektiv sie ganz dicht an seinem Ohr sagen. »Jetzt verschwindet er in der Tür.«
Peter bewegte sich als Erster in Richtung Altar. Bob folgte ihm. Justus winkte Alexandra. »Wir müssen ihm nach«, sagte er. »Sonst war der ganze Ausflug für die Katz.«
Diesmal hatte der Zweite Detektiv sein schwarzes Etui nicht vergessen. Allerdings benötigte er es nicht. Die Tür, die zu den Mumien führte, war nur angelehnt.
Sie schlichen die Treppe hinunter. Von ihrem Führer war nichts zu sehen. Justus orientierte sich blitzschnell.
»Wenn er wirklich in Richtung Stephansdom will, muss er da lang.« Er deutete auf einen dunklen Gang. »Seid ihr bereit?«
»Na klar«, gab Bob hastig zurück. Mit großen Schritten marschierten sie los. Es war kalt und feucht, aber wenigstens standen keine offenen Holzsärge herum. Peters Taschenlampe allerdings erzeugte ziemlich gespenstische Schatten an Boden und Wänden. Justus musste an Dracula denken.
Plötzlich mündete der Gang in eine Treppe. »Ich geh’ hinauf«, entschied der Erste Detektiv. »Wenn die Luft rein ist, pfeife ich leise unser Signal.«
Mit klopfendem Herzen stieg er Stufe für Stufe nach oben. Die Treppe endete an einer Holztür, die ebenfalls nur angelehnt war. Er drückte sie vorsichtig auf und sah in einen düsteren Flur. Er war leer. Leise pfiff der Erste Detektiv wie ein Rotbauchfliegenschnäpper. Wenige Augenblicke später tauchte Peters Haarschopf auf. Er schob sich an Justus vorbei und trat in den Flur. Bob und Alexandra folgten. Nichts Verdächtiges geschah.
Sie befanden sich in einer Hauseinfahrt, in der einige Fahrräder standen und zwei bunt gemusterte Kinderwagen. »Hallo«, sagte eine helle Stimme. Erschrocken fuhren sie herum. Ein Junge mit kurzen Haaren, in Schlabberhosen und T-Shirt, um den Hals einen Steinring an einem Lederband stand vor ihnen.
Alexandra fragte nach Mylnár. Der Junge deutete auf einen Durchgang und eine Tür gegenüber.
»Wie ist dein Name?«, aktivierte Justus seine spärlichen Deutschkenntnisse.
»Anna-Lisa«, sagte der Junge.
»Ist ein Mädchen«, staunte Peter. Ihm kam ihre erste Begegnung mit der Höhlenfrau in den Sinn.
Alexandra redete auf das Mädchen ein, das zwölf oder dreizehn Jahre alt sein mochte.
»Wir haben nicht mehr viel Zeit«, trieb Justus die beiden an. »Es ist kurz vor halb fünf.«
»Sie kennt sich aus, sagt
Weitere Kostenlose Bücher