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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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zwanzig Minuten. Ich muss jetzt Schluss machen.«
    Damit legte ich den Hörer auf und hatte noch reichlich Zeit, mich wieder hinter meinem Bücher-stapel niederzulassen und ein interessiertes Gesicht zu mimen. Als Mrs Hume den Teewagen herein-schob, klappte ich mein Buch zu und gähnte herz-haft. »Ach«, sagte ich, indem ich mir die Augen rieb. »Es tut mir schrecklich Leid, Mrs Hume, aber ich glaube, ich werde den Tee doch erst später trinken. Um ehrlich zu sein, ich glaube, ich sollte lieber eine Stunde schlafen. Ich gehe nach oben und lege mich hin, bis die Männer zurück sind.«
    Mrs Hume presste die Lippen zusammen, aber sie geleitete mich ohne weiteren Kommentar nach oben. Im Flur vor der Bibliothek blieb sie kurz stehen, um ihren Korb mit den Putzutensilien mit nach oben zu nehmen.
    »Brauchen Sie sonst noch etwas, Miss Shepherd?«, fragte sie, als wir vor meiner Tür standen.
    »Vielen Dank, Mrs Hume, aber ich habe Sie heute schon genug in Anspruch genommen.« Ich gähn-te wieder, wobei ich hoffte, dass es nicht zu übertrieben wirkte. »Und nochmals vielen Dank für die Führung. Es ist ein wunderschönes Haus.«
    Als jemand die Treppe heraufkam, drehte sich Mrs Hume um. Ein rothaariges Mädchen in Dienst-botenkleidung kam näher und versetzte mich in Erstaunen, indem sie vor der Haushälterin knickste.
    »Entschuldigen Sie, Madam«, sagte das Mädchen, »da ist ein Anruf für Sie. Aus dem Ausland.«
    »Aus dem Ausland?«, fragte Mrs Hume streng.
    »Für mich? Bist du sicher?«
    »Ja, Madam«, sagte das Mädchen. »Und außerdem ist Mr Sinclair wegen dem Herd gekommen.«
    »Sehr gut.« Mrs Hume umklammerte den Korb so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden. »Sag Mr Sinclair, er solle in der Küche warten. Ich komme gleich zu ihm.« Das Mädchen machte wieder einen Knicks und verschwand. Mrs Hume wandte sich an mich. »Ich hoffe, dass Sie sich gut ausruhen werden, Miss Shepherd. Ich komme dann wieder nach oben, falls Sie etwas brauchen. Bitte entschuldigen Sie mich jetzt.«
    »Natürlich, Mrs Hume. Und viel Glück mit dem neuen Herd.« Als die Schritte der beiden Frauen verhallten, huschte ich den Korridor entlang. Mit zitternder Hand und einem Stoßgebet zum Gott der Türschlösser ergriff ich die Klinke – die Tür war offen. Ich schlüpfte in das Zimmer und machte sie leise hinter mir zu. Dann lehnte ich mich dagegen und holte tief Atem. Fast hätte ich gekichert, denn ich fühlte mich wie ein ungezogenes Kind, aber als ich mich umsah, erstarb mir das Kichern auf den Lippen.
    Es war das Zimmer eines Jungen, still und ruhig lag es in der goldenen Nachmittagssonne da. Vom Kleiderschrank sah ein ausgestopfter Dachs herunter, und die Borde über dem Bett waren bevölkert mit Spielzeugpanzern, Bleisoldaten und blank geputzten Sporttrophäen. Von einem Gewehrständer in der Ecke baumelte ein ledernes Etui mit einem Fernglas, und auf dem Regal standen säuberlich aufgereiht Schulbücher. Über mir flog eine ganze Schwadron von Modellflugzeugen, die die abenteuerlichsten Fi-guren vollführten, und auf dem Tisch an der Wand lag ein unvollendetes Flugzeug aus Balsaholz und Seidenpapier und wartete immer noch auf seine Trag-flächen. Langsam drehte ich mich im Kreise, um dies alles in mir aufzunehmen.

    Der Schreibtisch war mit Bleistiftzeichnungen bedeckt; wie Flickenteppiche zeigten sie das Ensemble von sanften Hügeln und Tälern, und auf manchen war ein von Rosen umranktes Häuschen mit einem Schieferdach zu sehen. Aus einem eleganten Silber-rahmen, der etwas seitlich stand, blickte mich das lachende Gesicht Dimity Westwoods an. Wie ein Insekt in einem Stück Bernstein war Bobbys Zimmer vollständig erhalten. Die mittlere Schublade des Schreibtisches enthielt Bleistiftstummel, Radiergum-mis und ein zerbrochenes Lineal – und ein etwas zerfleddertes Schreibheft mit dem Namen ROBERT
    MACLAREN. Mit schamrotem Gesicht schloss ich die Schublade schnell wieder und wandte mich ab.
    Das war kein Spiel mehr. Geblendet von meiner eigenen Pfiffigkeit hatte ich vergessen, dass es sich hier um Tod und Verlust handelte, und um unsägliches Leid. Ich hatte das Vertrauen meines Gastgebers missbraucht und war in etwas eingedrungen, das ihm heilig war. Schon meine Anwesenheit hier kam mir jetzt wie eine Schändung vor. Wenn das nötig war, um Dimity zu helfen, dann würde ich sie enttäuschen müssen. Ich stand vom Schreibtisch auf und wollte zur Tür gehen.
    Ich hatte sie fast erreicht, als sie geöffnet wurde.

23
    Andrew

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