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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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zurückgeschickt, aber wir beide wissen, dass er für immer ihr gehört, genau wie ich.‹«
    Andrew nahm das Band und wickelte es wieder um den Stapel Papiere. Dann gab er mir das Bündel, und seine Hand fiel schlaff auf sein Knie. »Das war das letzte Mal, dass ich mit meinem Bruder sprach. Am nächsten Tag wurde er abgeschossen.
    Ich konnte es nicht begreifen. Ich konnte nicht akzeptieren, dass sein Tod eine Fügung des Schicksals war, ein weiterer Verlust, wie es schon so viele in diesem Krieg gegeben hatte. Mein Bruder war immer wie ein Falke geflogen – was hatte ihn jetzt zu Fall gebracht? Diese Frage quälte mich Tag und Nacht, bis ich endlich die Antwort hatte.« Andrews Hand hatte sich zur Faust geballt. »Ich hielt mein Versprechen. Ich überwies seine Hälfte unseres Erbes auf Dimity Westwoods Konto. Niemand sollte mir nachsagen, ich sei meiner Pflicht nicht nachge-kommen.
    Aber ich … ich schrieb ihr auch einen Brief. Bobby hatte mir einmal gesagt, dass die sicherste Möglichkeit, Dimity schnell eine Nachricht zu übermit-teln, sei, wenn man den Brief an das Flamborough adressierte. Dort kenne sie jeder, so sagte er.
    Als ich von seinem Tod erfuhr, schrieb ich ihr, dass sie mit dem Geld machen könne, was sie wolle, sollte sie aber versuchen, es zurückzuschicken, würden wir es ablehnen, denn meine Familie wolle nichts mehr mit ihr zu tun haben. Ich schrieb ihr, Bobby habe unter dem Einfluss ihres Verrats gestanden, und sein Reaktionsvermögen sei deshalb eingeschränkt gewesen, und ich … ich gab ihr die Schuld …« Andrew presste die Faust an den Mund.
    Ich erschauerte. Was muss Dimity dabei empfunden haben? Sie muss vor Trauer und Schuldgefühlen fast von Sinnen gewesen sein und Andrews An-schuldigung nur zu leicht geglaubt haben. Seine Worte müssen sich ihr in die Seele eingebrannt haben, und mit dieser heimlichen Schuld ist sie gestorben.
    »Sie hat das Geld nicht angerührt«, fuhr Andrew fort, »bis sie ihre Arbeit in Starling House aufnahm. Dann hat sie es den Kindern dort zugute kommen lassen. Vielleicht wollte sie ihre Schuld sühnen, indem sie sich um das Wohl der Kinder kümmerte. Sie war eine geschickte Geschäftsfrau und hat das Vermögen vermehrt, das muss man ihr lassen. Aber wie habe ich sie dafür gehasst!
    Später schrieb ich ihr noch einmal, obwohl ich hoffte, sie würde diesen Brief nie erhalten. Zwar war der Krieg schon vorbei, aber wieder adressierte ich den Brief an das Flamborough, ohne Absender.
    Ich schrieb auch ihren richtigen Namen darauf, in der Hoffnung, dass ihn dort niemand mehr kannte.
    Ich wusste, dass ich Bobby verriet, aber es kümmerte mich nicht. Als ich keine Antwort erhielt, war ich sehr zufrieden. Damals fingen die Albträume an.«
    Andrew beugte den Kopf und legte die Finger an die Schläfen. »Sie kamen nicht jede Nacht, aber oft genug, dass ich mich vor dem Einschlafen fürchtete.
    Sie können sich nicht vorstellen, wie lebhaft und überwältigend sie sind. Es fängt immer mit einer grässlichen Vision an. Ich drehe mich um die eigene Achse, während ich aus den Wolken auf das stahl-graue Meer zustürze. Ich sehe die Wellen näher und näher kommen, aber ich kann nichts machen.
    Manchmal erwache ich beim Aufschlag, dann schreie ich auf und ringe angsterfüllt um Atem.
    Doch manchmal gehe ich auch in den grauen Wellen unter, und das – das ist der schlimmste Alb-traum, wenn ich in die kalte, schwarze Dunkelheit hinabgezogen werde, der ich nicht entrinnen kann.«
    Andrew erschauerte, und als er die Augen öffnete, sah sein Gesicht alt und müde aus.
    »Als ich sagte, dass ich die Gegenwart meines Bruders in der Kapelle spüre, war das nicht die Wahrheit. Vielmehr kommt Bobby in diesen Visionen zu mir. Jahrelang habe ich mir gesagt, dass er es tut, um meinen Zorn lebendig zu halten, um mich an seinen grausamen Tod zu erinnern. Aber gestern Abend in der Kapelle war ich mir nicht mehr so sicher.« Er sah mich an. »Dieses Medaillon, das Sie da tragen, hat Dimity gehört, nicht wahr?«
    »Es hat ihr viel bedeutet«, sagte ich. »Sie hat es nie abgelegt.«
    »Es hat einmal meiner Großmutter gehört. Bobby hatte es Dimity geschenkt. Sie muss es an dem Tag getragen haben, als sie die Verlobung löste, und deshalb war sich Bobby so sicher … Sehen Sie, sie hat eben nicht alles zurückgeschickt. Sie hatte ein Pfand ihrer Verbundenheit behalten, und als ich es gestern Abend sah, wurde mir bewusst, dass Bobby Recht gehabt hatte, und dass sie ihn trotz allem immer

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