Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
Augenblick hatte ich die verrückte Vorstellung, dass sich irgendwo hinter den Schornsteinen eine Schar von Bediensteten verstecken könnte, die auf Bills Kommando hervorspringen und »April, April!« rufen würde.
    »Schnell«, sagte er. »Es ist fast vorbei.«
    Seine Dringlichkeit steckte mich an, rasch kletterte ich auf den Stuhl. Er war wie die Sitze eines teu-ren Sportwagens mit Schaffell überzogen, ein hochwillkommenes Stück Luxus an diesem kalten Morgen. Bill ergriff den Hebel und ließ das Kopfteil zurücksinken, bis ich direkt in den sternenübersäten Himmel sah.
    »Wonach soll ich Ausschau halten?«, fragte ich.
    »Das werden Sie merken, wenn Sie es sehen«, erwiderte er.
    Ich blickte weiter in den Himmel. Die hohen Ge-bäude ringsum und die dunklen Lücken dazwischen gaben mir ein Gefühl, als sei ich ein ganz kleiner Käfer in einer großen Flasche. Ich hatte nichts dagegen, als Bill mir die Hand auf die Schulter legte und flüsterte: »Ein bisschen Geduld.«
    Dann sah ich sie. Sternschnuppen. Nicht nur eine oder zwei, sondern ein Dutzend, silberne Schweife, die über den samtig-dunklen Himmel huschten und verschwanden, als ob das All uns eine geheime Botschaft senden wollte. Ich umklammerte die Stuhllehne und hatte das Empfinden, als ob Bills Hand auf meiner Schulter das Einzige war, das mich davor bewahrte, hinauf in die unendliche Dunkelheit zu fallen, und dabei schwindelte mir etwas.
    Es hörte so plötzlich auf, wie es angefangen hatte.
    Einen Augenblick war es still, dann sagte Bill: »Es gibt ein paar Dinge auf der Welt, die wirklich nicht auf einen warten, und dazu gehört auch ein Sternschnuppenschwarm. Ich halte es für ein gutes Omen, dass sich die Wolken rechtzeitig verzogen haben, sodass Sie in den Genuss dieses Anblicks kamen.«
    Die Wärme in seiner Stimme brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich stellte fest, dass ich mich mitten in Boston auf einem Zahnarztstuhl sitzend auf dem Dach eines Herrenhauses befand, einen völlig fremden Mann an meiner Seite. Und dass dieser völlig fremde Mann mit mir in einem Tonfall sprach, den man normalerweise nur gegenüber sehr guten Freunden an den Tag legt. Argwöhnisch sah ich ihn an, als er den Stuhl wieder aufrecht stellte.
    »Machen Sie das mit allen Ihren Klienten?«, fragte ich.
    »Nein, das tue ich nicht.« Seine Stimme klang amüsiert. »Das hier ist mein privates Reich. Aber ich möchte Ihnen noch etwas zeigen, wenn wir schon mal hier oben sind – falls Sie sich dazu in der Lage fühlen.«
    »Falls ich mich …« Ich ignorierte seine ausge-streckte Hand und sprang allein von dem Stuhl.
    »Sie sollten eines wissen, Bill. Trotz meiner jäm-merlichen Vorstellung gestern Abend bin ich keine Invalide.«
    »Natürlich nicht.« Er zog den Überzug über den Stuhl. »Sie wiegen nur zwanzig Pfund zu wenig, und wenn Sie schnell eine Treppe hinauflaufen, schnaufen Sie wie eine Dampfmaschine, aber Sie sind ganz bestimmt keine Invalide. Kommen Sie.«
    Ich sah ihn fassungslos an, bis er schon fast in der Dunkelheit verschwunden war, dann setzte ich ihm nach. Am liebsten hätte ich ihm meine Meinung gesagt, aber es ging um Schornsteine und Abzugsschächte herum bis zu einer kleinen Kuppel mitten auf dem Dach. Und noch ehe ich ein Wort sagen konnte, hatte er sich durch eine niedrige Tür ge-duckt, dann trat er zurück, um mich ebenfalls ein-treten zu lassen. Er machte die Tür zu und zündete eine Öllampe an – und die Wände um uns herum wurden mit einem Schlag lebendig.
    Die gesamte Fläche, vom Fußboden bis zur Decke, war mit Bildern bemalt: die Zwillinge Castor und Pollux, Orion mit Gürtel und Schwert sowie die Königin Kassiopeia, um nur ein paar zu nennen.
    In die Gemälde waren geschliffene Kristalle eingelassen, die wie winzige Sternbilder funkelten, und mitten im Raum stand ein altes, auf Hochglanz poliertes Messingteleskop. Bill hob die Lampe hoch und genoss sichtlich den Anblick meiner vor Staunen weit aufgerissenen Augen.
    »Mein Gott«, brachte ich schließlich hervor, »das ist ja unglaublich. Haben Sie das gebaut?«
    »Das Einzige, was ich hier gemacht habe, war, einen Telefonanschluss hineinzulegen. Alles andere« – er ließ seinen Blick über die glitzernde Kuppel schweifen – »beruht auf einem Einfall von meinem Urgroßonkel Edmund.«
    »Urgroßonkel Edmund?«
    »Na ja, jede Familie hat so einen Urgroßonkel, und wir hatten eben Edmund.« Bill hielt mir die Laterne hin, kramte in einem Schrank und zog ein

Weitere Kostenlose Bücher