und das geheimnisvolle Erbe
wenden sich nach links, dann noch mal nach links, dann die dritte Tür rechts. Und Vater bittet Sie, um zehn Uhr in seinem Büro zu sein.« Er trat zur Tür, dann drehte er sich nochmals um. »Und übrigens –
Sie sind nicht meine Mandantin, sondern seine.«
Ich brauchte einen Moment, bis ich das verstanden hatte, und einen weiteren, bis ich mich daran erinnerte, dass er mir wieder entwischt war, ohne mir auch nur eine meiner Fragen zu beantworten.
Und als ich wieder in die kleine Bibliothek ging, um einen näheren Blick auf die Büchersammlung von Willis senior zu werfen, fiel mir ein, dass es noch etwas gab, was ich wissen wollte.
Warum war Bill so nett zu mir?
5
Beim Anblick des kleinen Speisezimmers fragte ich mich, wie wohl das große aussehen mochte. Der Tisch, an dem Bill und ich saßen –
Willis senior hatte sich entschieden, in seinem Zimmer zu frühstücken –, war lang genug für zwölf Personen, und jeder Ton, der über ein diskretes Flüstern hinausging, hallte von der hohen Decke zurück. Auf der Anrichte standen die Speisen in silbernen Warmhalteschüsseln bereit. Nur die Erd-beeren waren in einer Tonschale aufgehäuft, und daneben stand ein kleiner Sahnekrug. Zwei junge Männer in legerer Freizeitkleidung schenkten uns Orangensaft ein, worauf sie sich zu uns setzten und Bill in eine Diskussion über einen besonders ver-zwickten Aspekt des Vertragsgesetzes verwickelten.
»Jurastudenten«, erklärte Bill, als sie den Tisch abgeräumt hatten. »Sie wohnen bei uns, und dafür helfen sie im Haushalt mit.«
»Wie praktisch«, sagte ich. »Ein privater, nie ver-siegender Strom von Arbeitssklaven.«
»Genau. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass es eine regelrechte Warteliste dafür gibt.« Bill sah auf seine Uhr. »Aber mein Vater, der ausbeuterische Kapitalist, wird sicher schon auf uns warten. Wollen wir?« Er ging voran zum Büro. »Das mit den Studenten war seine Idee«, fuhr er fort. »Kost und Logis, plus die Chance, bei unseren Sprechstunden zu hospitieren, ganz abgesehen davon, dass sie einem der besten Juristen über die Schulter schauen können, die es zurzeit gibt. Damit meine ich natürlich meinen Vater. Als Gegenleistung machen sie alles, was so anfällt, außer kochen. Manche Dinge sollte man lieber Profis überlassen, finden Sie nicht auch?
Wahrscheinlich hätten sie es anderswo wirklich besser, aber was sollen wir machen? Sie reißen sich geradezu darum, von uns ausgebeutet zu werden.« Er öffnete die Bürotür. »Hab ich Recht, Vater?«
Willis senior sah von seinem Schreibtisch auf.
»Womit hast du Recht, mein Junge?«
»Miss Shepherd kommentierte gerade unsere ungewöhnliche Lösung des Hausangestellten-Problems.«
»Ach so, die Studenten. Ja, das hat sich bestens bewährt, Miss Shepherd. Ich weiß nicht, was wir ohne sie machen würden, und die jungen Männer scheinen ebenfalls der Ansicht zu sein, dass sich der Tauschhandel lohnt. Übrigens, Bill, hast du schon gehört? Der junge Walters wurde vorige Woche zum Richter ernannt.«
»Sandy Walters? Aber der konnte doch nicht mal vernünftig abwaschen!«
»Ich bezweifle, dass man das von ihm erwarten wird«, sagte Willis senior trocken. Dann wandte er sich mir zu. »Bitte entschuldigen Sie unser Geplänkel, Miss Shepherd. Wie geht es Ihnen heute Morgen?«
»Ihr geht es bestens«, sagte Bill. »Dann lasse ich euch also jetzt allein, Vater. Und wir sehen uns später«, sagte er mit einem fröhlichen Nicken in meine Richtung, ehe er das Büro verließ.
»Mein Sohn scheint heute Morgen außergewöhnlich gut aufgelegt zu sein.« Willis senior sah einen Moment nachdenklich auf die Tür, die sich soeben geschlossen hatte. »Aber fahren wir fort, Miss Shepherd. Ich kann mir vorstellen, dass Sie inzwischen sehr ungeduldig sein müssen. Bitte, machen Sie es sich bequem. Ich fürchte, es kann etwas dauern.« Ich nahm in dem hohen Ohrensessel ihm gegenüber Platz.
»Vor fünfundzwanzig Jahren«, begann Willis senior, »kontaktierte mich ein Kollege in England.
Eine Mandantin von ihm, eine etwas exzentrische, aber vermögende Dame, hatte vor, ihr Testament zu machen. Außerdem wollte sie, dass dieses Testament von einem amerikanischen Rechtsanwalt vollstreckt würde, da einer der Erben amerikanischer Staatsbürger sei. Sie war sehr darum besorgt, eine dafür geeignete Kanzlei zu finden, und ich freue mich, sagen zu können, dass wir diesen Ansprüchen genügten.«
Ich lächelte, und Willis senior hob höflich fragend die
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