und das geheimnisvolle Erbe
werden.«
»Ist das eine Bedingung des Testaments?«
»Nein, Miss Shepherd, aber es entspricht meinem persönlichen Wunsch. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Sie als meinen Gast hier willkommen hei-
ßen dürfte, so lange wie Sie bleiben möchten.« Er beugte sich vertraulich zu mir herüber und fügte hinzu: »Es ist ein großes Vergnügen für mich, ein neues Gesicht um mich zu haben, besonders von jemandem, der nicht Jurist ist oder Jura studiert.«
Ich lachte. »Das kann ich verstehen, Mr Willis, danke. Wenn es wirklich keine Umstände macht, bleibe ich gern.«
»Keineswegs.« Er wandte sich wieder seinen Unterlagen zu und fuhr fort. »Es wurde natürlich auch eine gewisse Summe bereitgestellt, damit Ihre Rei-sekosten und eventuelle weitere Kosten vor oder während Ihres Aufenthalts in England abgedeckt sind. Diese Kosten beziehen sich keineswegs nur auf das Schreiben der Einführung. Sehen Sie, Miss Westwood wollte, dass Sie sich voll auf Ihre Aufgabe konzentrieren, und war der Ansicht, dass Sie das nur können, wenn für Ihre sonstigen Wünsche und Bedürfnisse gesorgt ist. Deshalb muss alles, was Sie zu Ihrem Wohlbefinden benötigen, als notwendige Ausgabe betrachtet werden.«
Ein unerschöpfliches Spesenkonto. Ich konnte die Rechnungen und die Miete bezahlen, mir ein paar neue Kleidungsstücke kaufen – die ich selbst aussuchen würde. Ich war so verwirrt, dass ich den nächsten Satz von Willis senior beinahe überhört hätte.
»… und zu Ihrer Unterstützung hat Miss Westwood festgelegt, dass die Reisevorbereitungen sowie sämtliche Zahlungen von meinem Sohn abge-wickelt werden sollen.«
Beinahe wäre mein Sherry auf Willis seniors makelloser Weste gelandet.
»Bill?« , fragte ich ungläubig.
»In der Tat. Miss Westwood wollte Sie nicht mit den täglichen Belangen der Reisevorbereitungen und der Finanzen belasten. Deshalb wird mein Sohn sich ab sofort darum kümmern, bis Sie Ihre Aufgabe erledigt haben. Er wird den Flug buchen, alle Zahlungen übernehmen und Sie nach England begleiten, als Ihr … persönlicher Assistent – eine bessere Bezeichnung fällt mir leider nicht ein.« Ich musste ein ziemlich verdutztes Gesicht gemacht haben, denn Willis senior sagte beruhigend: »Das heißt aber nicht, dass Sie dadurch finanziell eingeschränkt wären, Miss Shepherd. Sie brauchen nur etwas zu sagen, und Sie bekommen, was Sie brauchen.«
»Von Bill.«
»Ja. Miss Westwood hat das explizit festgelegt.«
»Wollen Sie damit sagen, dass ich ohne Bill nichts tun kann?«
»Das befürchte ich.«
»Aber warum er ?«, fragte ich. »Ich würde viel lieber mit Ihnen zusammenarbeiten.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Miss Shepherd. Ich wäre Ihnen nur zu gern zu Diensten, aber …« Willis seufzte. »Ich fürchte, dass meine Gesundheit es nicht zulassen würde. Ich habe im letzten Jahr einige Schwierigkeiten gehabt …«
»Mit Ihrem Herzen«, unterbrach ich ihn. »Ich weiß, Bill hat es mir erzählt.«
»Hat er das?«
»Ja, heute früh. Und es war unverzeihlich von mir, es zu vergessen. Natürlich können Sie nicht um die halbe Welt reisen. Bitte, vergessen Sie, dass ich es auch nur erwähnt habe.« Schuldbewusst sah ich auf meine Schuhe, dann fragte ich: »Wie viel weiß Bill von all dem?«
»Ich habe seine Hilfe in Anspruch genommen, um Sie zu finden, aber davon abgesehen weiß er nichts. Ich habe ihn noch nicht einmal über die Rolle informiert, die er in Miss Westwoods Plänen spielen soll. Ich hielt es für das Beste, ihm noch nichts davon zu sagen, ehe ich sicher sein konnte, dass Sie einwilligen.« Willis senior zögerte. »Ich möchte nicht indiskret sein, Miss Shepherd, aber entnehme ich Ihrer Reaktion eine gewisse Bestürzung?«
»O ja«, sagte ich und stützte das Kinn auf meine Hand. »Ich glaube, so könnte man es nennen.«
»Darf ich fragen, warum?«
Ich drehte ihm mein Gesicht zu. »Wissen Sie, was Ihr Sohn gemacht hat?«
»Mir graut schon bei dem Gedanken.«
»Er hat mir Kleider gekauft! Einen ganzen Schrank voll!«
Jetzt, wo ich es laut sagte, klang es so albern, dass ich fürchtete, Willis senior würde mich ausla-chen, aber er schien genau zu verstehen, was ich meinte.
»Ohne Sie zu konsultieren? Wie überheblich von ihm.« Nach einer nachdenklichen Pause sagte er:
»Es sieht ihm auch überhaupt nicht ähnlich. Wenn Sie mir eine persönliche Bemerkung erlauben, Miss Shepherd, mein Sohn ist bisher mit jungen Damen seiner Bekanntschaft eigentlich immer sehr
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