und das geheimnisvolle Erbe
Tage war Bills Verhalten perfekt, es hätte nur noch gefehlt, dass er zehn Schritte hinter mir herging. Er war zurückhaltend, er war höflich, er war die Verkörperung guter Manieren – und dennoch konnte er mich nicht täuschen. Denn mehr als einmal erwischte ich ihn dabei, dass er still vor sich hin lachte, als ob ihn seine Vorstellung aufs Höchste amüsierte.
Meine »Kutsche« stellte sich als Willis seniors Rolls-Royce heraus. Bill bestand darauf, dass er damit nur die Wünsche seines Vaters ausführe, aber ich fand das gar nicht lustig. Dabei störte mich weniger das Auto als die Tatsache, dass Bill dazu eine Chauffeursmütze und Wolljacke anzog, und die unterwürfige Art und Weise, mit der er die Tür für mich aufriss, als hatte er seine Rolle als Chauffeur vorher geübt.
Unser erstes Ziel war ein Fachgeschäft für Cam-pingbedarf, wo ich ein Paar leichte Wanderstiefel kaufte – Stiefel, mit denen man auf einen Berg steigen konnte –, eine robuste Daunenjacke und ein Paar vernünftiger Jeans. Ich machte einen großen Bogen um alles, was nur im Entferntesten albern oder feminin aussah, denn ich wollte Bill ein für alle Mal klar machen, was ich unter praktischer Kleidung verstand. Ohne etwas zu sagen, beobachtete er mich sehr eingehend, als ob er jede meiner Bewegungen auswendig lernen wollte. Die Verkäufer behandelten ihn wie einen Taubstummen – sie nickten höflich in seine Richtung, sprachen aber ausschließlich mit mir. Es war mir sehr peinlich, besonders als er schließlich alles bezahlte.
Am nächsten Morgen fuhr ich bei meiner Zeitar-beitsfirma vorbei, um ihnen zu sagen, dass ich vor-erst nicht weiter zur Verfügung stünde. Als sie den Rolls-Royce gesehen hatten, wunderten sie sich wahrscheinlich, dass ich mir überhaupt die Mühe machte zu kündigen, aber ich wollte nicht alle Brü-
cken hinter mir abreißen. Bill war weiterhin ein Muster an gutem Benehmen, aber als er mit einer tiefen Verbeugung die Mütze vom Kopf riss und meiner Chefin die Hand küsste, trug er doch zu dick auf.
Als er sich dann am Nachmittag den anderen Bewohnerinnen meiner WG als »Miss Shepherds Fahrer« vorstellte, hatte ich genug. Ich ließ mir von ihm das Scheckbuch geben und bat ihn, im Auto zu warten. Das war, so fand ich, die beste Lösung: Ich würde die Schecks ausfüllen, und er konnte sie dann irgendwo unterschreiben. Doch dann sah ich das kleine Lächeln auf seinem Gesicht und merkte, dass ich wieder überrumpelt worden war. Einen Moment lang kam mir der Gedanke, dass er bestimmt gemerkt hatte, wie peinlich es mir war, ihn in meine bescheidene Behausung mitzunehmen.
Ich verbrachte zwei Stunden in meiner Wohnung und schrieb so viele Schecks, dass mir der kalte Schweiß ausbrach. Schließlich musste ich Willis senior anrufen, um mir bestätigen zu lassen, dass es wirklich okay war. Als ich fertig war, gab ich meinen Mitbewohnerinnen meinen Teil der Miete, er-klärte ihnen kurz die Situation und bat sie, bis zu meiner Rückkehr die Post und etwaige Anrufe für mich an meinen vorübergehenden Aufenthaltsort bei Willis & Willis weiterzuleiten. Da ich ungefähr so viele Anrufe bekam wie ein Trappistenmönch, war das nicht zu viel verlangt.
Ich brauchte zwanzig Minuten, um zu packen.
Als ich fertig war, setzte ich mich auf die Matratze neben meine alten, schäbigen Segeltuchtaschen. Die Sonnenstrahlen des Spätnachmittags fielen durch die Schlitze der Jalousien und beleuchteten das staubige Grau des Zimmers. Es war still in der Wohnung, und mein Zimmer sah plötzlich sehr kahl aus.
Ich wollte nicht hierher zurückkommen. Weder Bill noch sonst einem Menschen gegenüber hätte ich es zugegeben, aber ich wollte nicht, dass dieses Märchen aufhörte. Ich wollte diese zehntausend Dollar so sehr, dass ich sie förmlich auf der Zunge schmeckte. Das Geld würde mir die Möglichkeit eröffnen, dieser Tretmühle zu entkommen, mich nach einem richtigen Job umzusehen und mir vielleicht sogar ein paar vernünftige Möbel anzuschaf-fen. Andererseits, wenn ich mich tatsächlich entscheiden müsste, ob ich mir das Geld verdiente oder den Wunsch meiner Mutter erfüllte, dann wusste ich bereits, wie ich mich entscheiden würde. Na ja, dachte ich ohne Überzeugung, schließlich war ich es so lange gewohnt gewesen zu verzichten, dass ich mich nach einer kurzen Pause wieder daran gewöhnen würde.
Meine Augen wanderten über die kahlen Wände und blieben an dem Einbauschrank hängen. Ich sprang auf und rettete Reginalds
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