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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Kopfgefieder und vier goldgelben Küken. Auf einem ursprünglich grünen Blechschild, befestigt am Skelett eines Holzzauns, stand »Farmer’s Delight« in Blockschrift - ein untrüglicher Beweis, dass die Lodge aus kolonialen Zeiten stammte. Sobald es ihnen nach Jagdbeute und der Gesellschaft von Gleichgesinnten verlangte, pflegten sich die englischen Farmer in den Lodges des Hochlands zu treffen.
    »Farmers Delight«, erinnerte sich Liesel, »habe ich schon mal gehört. Bestimmt sogar. Ich glaub sogar, unser Direktor ist manchmal hierher gefahren. Ich bin nur nie draufgekommen, dass das Haus so nahe an Londiani liegt.« »Worauf kommt man schon als Kind?«
    Der muntere indische Straßenengel im Jeep, der einen Reifen ebenso rasch wechseln konnte, wie er redete, hatte nicht nur ausgiebige Erfahrungen mit gestrandeten Touristen. Er versorgte entlegene Dörfer und verstreut lebende Wohngemeinschaften mit Stoffen, Decken, Haushaltsgerät, Rattenfallen und Nahrungsmitteln. Die ungewöhnliche Herberge mit dem ehemaligen Swimmingpool steuerte er mindestens zweimal im Jahr an; er belieferte die Bewohner mit preisgünstigen Schüsseln, Töpfen und Eimern und vor allem mit Medikamenten, die er vorteil-haft in einer Apotheke in Kisumu als Ausschussware kaufen konnte. Dem eigenwilligen Hausvater von »Farmers Delight« und den Verwaltern von ähnlichen Unterkünften redete der indische Händler bei seinen Besuchen stets gut zu, eventuell aufkreuzende Touristen freundlich zu empfangen, ihnen Wasser zum Trinken und Waschen anzubieten, ihre Autos auch nachts nicht zu durchwühlen und nichts aus ihren Koffern zu stehlen.
    Trotzdem hatten es die Procters nicht leicht, in »Farmer’s Delight« Obdach zu bekommen. Ein breitschultriger, barfüßiger Mann, um die vierzig Jahre alt, der schon zu ergrauen begann, beäugte sie misstrauisch und bohrte in seinen Zähnen - mit einem Schweizer Offiziersmesser, wie es sich David immer als Kind gewünscht und nie bekommen hatte. Der Mann hatte ein hellblaues, mit grünem Filz geflicktes Hemd an und trug eine khakifarbene Schildmütze, wie sie zu kolonialen Zeiten beim britischen Militär üblich waren. Durch Mimik und Gestik und einen kräftigen Schlag auf die Haube des Ford machte der Mützenträger klar, dass er im Haus das Sagen hatte. Er war, als die Procters abwechselnd »Hello« und »Jambo« gebrüllt hatten, aus einem Gebüsch aufgetaucht und hatte jedes Mitglied der Familie so grimmig und so lange fixiert, dass schließlich alle vier betreten zu Boden geblickt hatten. Nach dem dritten Schlag auf den Wagen lächelte der Mann indes so liebenswürdig, als würde er jeden Tag dafür sorgen, dass Fremde sich heimisch fühlten, aber er gönnte sich noch eine weitere Viertelstunde, ehe er wissen ließ, dass er Englisch verstand und, wie sich noch später herausstellte, auch verständlich sprechen konnte.
    Erst der Blick auf einen Geldschein in Emils Hand brachte die Wende. Der bekehrte Schweiger holte seine Rechte aus der Tasche, lief vom Schatten in die Sonne und hielt den Schein gegen das Licht. Er lachte herzhaft, als ihn die Prüfung überzeugte, wandte sich an seinen Gönner und gestattete ihm und den Seinen, »so lange hier zu wohnen, bis eure Beine Krieg machen«. Unmittelbar darauf fegte der Bekehrte zwei der vier Zimmer aus. Mit einem riesigen Strohbesen und einem ebenso enormen Aufwand an Stimme. Es hatte einen Bass und konnte wunderbar singen.
    »Ich glaube, wir gefallen ihm«, mutmaßte Emil.
    »Yes, Sir«, bestätigte der Hausherr, »das ist so.«
    Eine Stunde später packte Liesel auf dem runden Holztisch im Essraum die Lunchpakete aus, die noch aus dem New Stanley Hotel in Nairobi stammten und an die sie bei der Suche nach dem Eukalyptusbaum vor der Nakuru School nicht mehr gedacht hatte. Der singende Besenmeister, der schon seit einiger Zeit im Raum stand, das Schweizer Offiziersmesser geöffnet auf den Tisch gelegt hatte und nun seine Fingernägel mit einer Gabel reinigte, reagierte spontan und unerwartet. Durch Klatschen und laute, sehr dringend klingende Rufe befahl er seine Familie herbei - zwei Frauen und sieben Kinder. Das jüngste war ein etwa acht Monate altes Baby, gut genährt und mit zwei Zähnen. Das Kind saß, mit einem weißen Tuch fest gezurrt, auf dem Rücken der jüngeren Mutter und kaute gurgelnd an einer kurzen, weißen Wurzel. »Oh«, flüsterte Rose, »ist das süß. Das würde ich am liebsten gleich mitnehmen.«
    »Sieh mal einer an«, lachte ihr Vater,

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